Bilder ersetzen keine Beziehungen – Predigt

Es gibt mehrere Formen der digitalen Beziehungen. Eine von ihnen haben wir in den letzten eineinhalb Jahren intensiv gelebt. Die Videotelefonie hatte auf einmal nicht nur einen Spaßfaktor, sondern gewann an Bedeutung. Großeltern konnten trotz Beschränkungen ihre Enkel sehen, Freunde, die entfernt von einander wohnen hatten das Gefühl einer gewissen Nähe. Es war gut, dass man zumindest in dieser Form Anteil am Leben der uns nahe stehenden Menschen hatte.

Eine andere Form der digitalen Beziehungen ist es, in den Chats zu versinken und dort unter einem Decknamen Kontakte zu knüpfen. Irreführung und Irrealität gehören dort zur Tagesordnung. Ich kann mit einem schönen Jugendbild auftreten und mich jung dynamisch, erfolgreich präsentieren, auch wenn ich das in meiner Geschichte nie gewesen bin. Es gibt immer Menschen, die darauf reinfallen, die stolz darauf sind, einen solchen digitalen Freund zu haben und machen sich sogar vielleicht die Hoffnung auf mehr.

Die meisten von Ihnen, liebe Jubelpaare, haben sich vor der digitalen Zeit kennengelernt. Aber auch wenn Sie sich im Internet kennengelernt hätten, haben sie sich nicht hinter einem Wunschbild der Partnerin oder des Partners versteckt, sondern sich aufeinander in der Realität eingelassen. Sie haben erfahren, dass das reale Leben keine Märchenerzählung ist, keine Selbstdarstellung im besten oder sogar im falschen Licht, sondern die Bereitschaft, den anderen anzunehmen, wie er ist; im Sinne der Liebe, die sich nicht nur im Beschenken äußert, sondern auch im Verzeihen, im Erdulden, im Bewältigen der Durststrecken. Aber die Beziehung der Liebe ist nicht nur ein Krampf und ein Kampf. Sie ist auch die Erfahrung, dass ich, wie ich bin angenommen bin, dass ich nicht verstellt und nicht beschönigt für einen Menschen faszinierend bin, dass eine andere oder ein anderer gerade zu mir, so wie ich bin „Ja“ sagt. Denn die echte Liebe bedeutet das Ja zu einem Menschen und nicht zu seinem digitalen Bild, es bedeutet die Annahme eines Menschen mit seinen Ecken und Kanten aber auch die Bereitschaft, sich gegenseitig zu bereichern, miteinander zu wachsen, die Erfahrung getragen zu werden, wenn die Abschnitte des Lebens für einen alleine zu schwer geworden sind.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
in einer echten Beziehung kann man sich nicht verstecken, braucht man sich nicht zu verstecken und man will sich nicht verstecken. In einer echten Beziehung will man Zuhause sein, wie man ist, ohne Maskerade, ohne Versuche, nur den Wünschen des Partners oder der Partnerin zu entsprechen. In einer echten Beziehung geht es um die gegenseitige Nähe, um das Gefühl, Anteil zu haben an Freude und Leid, an Erfolgen und Misserfolgen, an erreichten und an zerbrochenen Träumen eines anderen Menschen.

Liebe Jubelpaare,
Sie leben schon seit langem eine echte und keine digitale Beziehung. Dazu gratuliere ich Ihnen sehr herzlich. Ich gratuliere zu allem, was Sie erreicht haben und was Sie stolz macht, wie Familie, Freundeskreise, Berufserfolge.  Ich wünsche Ihnen für Ihre weiteren Jahre Gesundheit und Lebensfreude aus dem Wissen, dass Sie nicht alleine gehen, sondern jemand zur Seite haben, der Sie manchmal stärkt aber auch manchmal herausfordert, weil sie oder er nicht digital, sondern echt ist. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer echten Beziehung, die Ihnen weiterhin viel Freude und viel Kraft schenken möge.

Slawomir Dadas
Pfarrer