Die Kunst des Zusammen(k)lebens

„Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,9-13)

Predigt beim Fest der Ehejubilare

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Sie kennen den Begriff „Superkleber“. Dabei geht es um ein Produkt, das verschiedene Elemente miteinander verbinden kann. Die Verwendung eines Superklebers unterliegt ganz konkreten Regeln. Als Anwendungshinweis lesen wir auf der Homepage des Herstellers: „Einseitig dünn auftragen, andrücken und eventuell nachkorrigieren – fertig. Bei harten Materialien beide Klebstellen (trocken und fettfrei) bestreichen, antrocknen lassen, nochmals dünn bestreichen, zusammendrücken.“ Es geht dabei um einen chemischen Vorgang, der Verbindungen ermöglicht. Bei der Polymerisationsreaktion sind sie bereits nach wenigen Minuten weitgehend abgeschlossen; die volle Festigkeit erreicht der Stoff dann nach etwa 2 Stunden. Für spezielle Zwecke wurden Beschleuniger entwickelt, die die Reaktion auf Kosten der Endfestigkeit auf wenige Sekunden verkürzen.

Als ich das gelesen habe, habe ich Sie, liebe Jubelpaare vor Augen gehabt. Ich habe darüber nachgedacht, welche Reaktionen bei Ihnen stattgefunden haben, dass Sie bis heute beieinander kleben. Waren Sie bereits nach zwei Stunden aneinander gebunden oder war bei Ihnen ein Beschleuniger im Spiel, sodass Sie Sekunden nach der ersten Begegnung wussten, dass Sie untrennbar sind? Haben Sie Ihren Ehekleber dünn aufgetragen, angedrückt und eventuell nach einiger Zeit nachkorrigiert? Oder gehörten Sie zu den härteren Materialien, die doppelt gestrichen werden mussten, um zusammenzuhalten. Und weiters; was war der Klebstoff Ihrer Beziehung, dass Sie 20, 25, 40, 50 und 55 Jahre gehalten hatte. Da die Faszination und die Verliebtheit von kurzer Dauer sind, muss Ihr Beziehungsklebstoff etwas anderes gewesen sein als das. Er musste etwas mit der Liebe zu tun haben, von der die heutigen Lesungen erzählen.

Ich möchte jetzt zwei Eigenschaften herausgreifen, die uns vor Augen gestellt werden, und die ein Garant einer erfolgreichen Ehe sind.

Zuerst geht es natürlich um die Liebe, die nicht nach den Maßstäben der Gesellschaft, sondern nach dem Maßstab Gottes gemessen wird. Viele Menschen kennen die Liebe nicht mehr. Sie wird oft mit egoistischen Gefühlsregungen und mit Versorgungswünschen verwechselt. Dabei entstehen Vorstellungen einer vermeintlichen Liebe, die mit der wahren Liebe nichts zu tun haben. Als Liebe werden Beziehungen genannt, die nicht mehr sind als der Versuch, vor der Einsamkeit zu flüchten; weil eine ungewollte Einsamkeit das Gefühl der Wertlosigkeit vermittelt.

Die wahre Liebe meint zuerst, einen Raum für einen Menschen zu schaffen, damit er sich entfalten kann und glücklich wird. Sie engt nicht ein, sondern öffnet neue Wege durchs Leben, neue Welten, in die die/der Geliebte eintauchen kann.

Weiters ist die wahre Liebe mit der Ausrichtung des Lebens auf die lebensspendenden und die lebenserhaltenden Prinzipien ausgerichtet. Die Liebe ist also dort, wo mehrere wachsen können, wo das Leben zu blühen beginnt, wo das Leben aller mehr und nicht weniger wird.

Und endlich ist die wahre Liebe in Gott begründet, der Kraft schenkt, sie zu leben. Der Mensch, der versucht, aus eigener Kraft zu lieben, fällt in den Schwierigkeiten um und ist nicht bereit, das Leben für den anderen zu geben.

Liebe Jubelpaare,

Sie kleben bereits viele Jahre zusammen. Sie kleben noch immer und Ihr Klebstoff heißt Liebe, die sich verschenkt, die Sie gegenseitig bereichert und die in Gott ein Fundament und eine Stütze gefunden hat.

Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich und wünsche noch viele gemeinsamen Jahre, in denen Sie erfahren, dass die Kunst des Zusammen(k)lebens im Beschenken und im Annehmen liegt, damit aus zwei Leben ein größeres wird, in dem niemand untergeht, sondern indem alle sich entfalten können.

Slawomir Dadas

Pfarrer