Dorthin kann ich nicht zurück

DSC_0006 (700x467)90 Leute folgten der Einladung des Dekanates und der Regionalcaritas Wels zur Podiumsdiskussion: Beispiele gelingender Integration.

 

Frau Brigitte Ehgartner sprach über die schwerwiegenden Gründe warum Menschen ihre Heimat verlassen müssen, denn nur die wenigsten gehen freiwillig tausende Kilometer in die Fremde: Kriege, Vertreibungen, Umweltkatastrophen, Hunger, Gewalt in der Familie, wirtschaftliche und existenzielle Not zwingen sie dazu. Sie informierte auch über die rechtliche Situation, die durch das europäische Asylrecht und das nationale Fremden- und Niederlassungsrecht geregelt ist.

Frau Elvira Hadziric hat ihre persönliche Lebens- und Fluchtgeschichte mit uns geteilt. Wie es ist wenn man binnen 2 Stunden sein Haus, seine Verwandten, seine Nachbarn, seine Freunde verlassen muss und man nicht weiß, wen man jemals wiedersehen wird, welche Greueltaten passieren werden. Wie es ist, wenn eine Mutter aus purer Verzweiflung nach einem halben Jahr Krieg zu ihrer einzigen Tochter sagt: „Geh! Elvira, du schaffst es. Ich bleibe hier.“ Und die Tochter, die gerade erst ihren 18. Geburtstag gefeiert hat, geht ganz alleine durch das Kriegsgebiet in die Fremde.

Frau Güler Bilgic Cankurtaran, die seit ihrer Geburt in Österreich lebt, erzählte wie es der 2. Generation der MigrantInnen in Wels geht. Warum sie beim Wort Integration eine Gänsehaut bekommt, welchen Angriffen sie in Wels ausgesetzt ist. Sie 2. Generation will nicht unterwürfig sein, ständig „Bitte, bitte!“ sagen. Sie wollen gleichberechtigt, selbstbewusst ihr Leben gestalten. Sie brauchen kein Mitleid, sondern Menschen, die mit ihnen mitfühlen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Sie wollen keine von der Obrigkeit aufgesetzten Hilfsprojekte, sondern mit den Betroffenen gemeinsam entwickelte Initiativen. Die MigrantInnen müssen in allen gesellschaftlichen, sozialen und politischen Strukturen vertreten sein und an den Veränderungen selbst mitarbeiten.

Frau Michaela Rebhandl erklärte, dass wir in Oberösterreich jetzt ausreichend Flüchtlingshäuser haben, die Quoten erfüllt sind. Wenn die Menschen dann aber endlich den erhofften positiven Asylbescheid haben, in voller Aufbruchsstimmung sind, brauchen sie dringend Wohnungen, Arbeitsplätze und Deutschkurse, von denen viele nicht mehr vom Staat finanziert werden. Sie wollen mitarbeiten, wollen sich einbringen in die Gesellschaft, sagen: „Ich bin Bäckermeister. Ich bin Arzt, aber niemand will mich. Niemand braucht mich. Mein Universitätsstudium ist hier nicht nostrifiziert. Ich kann viel. Ich will zeigen, was ich kann.“ Es beginnt eine lange Zeit des Wartens, man ist ohnmächtig. Es stellt sich Hoffnungslosigkeit und Perspektivenlosigkeit ein. Man braucht einen Platz zum Leben, einen Ort, wo man zur Ruhe kommen kann, wo man die Traumatisierungen verarbeiten kann. Zum Abschluss sagte sie zum Publikum: „Danke, danke für die Hilfe, die sie früher gemacht haben, morgen machen.“

Frau Eveline Lanzerstorfer stellte das Projekt „walk&talk“ für Frauen vor, wo sie zu verschiedenen türkischen, albanischen, bosnischen, … Kulturvereinen, Gebetsräumen, Organisationen gehen und miteinander ins Gespräch kommen und das Verständnis füreinander wächst. Offenheit, Neugier, Einlassen, dann geht viel.

 

Dieser Diskussionsabend war ein Abend der Begegnung – herzlich, berührend, tiefgehend.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Brigitte Sova aus Ihrem Buch „Dorthin kann ich nicht zurück“, das an diesem Abend verkauft wurde: „Wir hörten vieles, verstanden manches und wissen trotzdem so wenig. Auf jeden Fall war und ist das Gefühl, das in uns entstand ein familiäres, ein warmes. Dialog auf Augenhöhe, das Sein mit den Menschen.

Text: Birgit Raffelsberger
Fotos: Gabi Eichberger