Predigt bei der Ehejubilarfeier

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
vielleicht haben Sie schon öfters im Leben gedacht und gesagt: „Da habe ich mehrere Schutzengel gehabt“. Als Schutzengel wird in solchen Fällen eine göttliche Kraft verstanden, die eingreift, wo sich die menschlichen Möglichkeiten erschöpfen, wo der Mensch an seine Grenze kommt und er die Hilfe von oben braucht. Engel sind in der Bibel Gesandte Gottes, die mit einer besonderen Botschaft auf der Erde erscheinen. Diese verändert das Leben des Einzelnen und in der Regel die Geschicke der Welt. Wenn ich heute zu Ihnen, liebe Jubelpaare über die Engel spreche, dann meine ich nicht die Lichtwesen, die in vielen schweren oder aussichtslosen Situationen Ihres Lebens eingegriffen und dadurch eine Wende zum Guten bewirkt haben. Wenn ich hier von Engeln spreche, dann meine ich zuerst Ihre Partnerin und Ihren Partner. Denn vor mehr als 25, 30, 40, 50, 55 und 60 Jahren hat jemand Ihren Weg durchkreuzt mit der Botschaft der Liebe. Und vielleicht haben Sie, sie oder ihn damals, mein Engelchen genannt.

Natürlich ist dieser Engel mehr biblisch als straßenverkehrstechnisch gedacht. Mag sein, dass Sie bei ihm Schutz und Sicherheit für Ihr Leben gesucht haben, aber Sie haben auch schnell erfahren, dass dieser Engel nicht automatisch für alle Lebenspannen zuständig war. Vielleicht ist es ein Engel, der Sie oft herausgefordert hat und dazu zwang, Ihre Denkweise zu ändern – wie bei Maria, die in der Begegnung mit Gabriel ihrem Leben eine neue Ausrichtung geben musste. Vielleicht ist es ein Engel, der Sie zur Annahme jener Situationen ermutigte, vor denen Sie eigentlich flüchten wollten – wie beim Josef, der mit der Geschichte Marias überfordert war, oder Sie vor dem ganz Bösen bewahrte – wie beim Josef, als er den Auftrag bekam, mit Maria und dem Kind aus der Reichweite des Herodes zu verschwinden.  Vielleicht  ist es ein Engel, der Sie tröstete, als sich nicht alles erfüllte, was Sie in diesem oder jenem Abschnitt des Lebens erwartet und sich erträumt haben, wie bei Maria aus Magdala am leeren Grab.

So sind Sie für einander Engel, die zwar nicht der Kindervorstellung entsprechen, weil Sie sich gegenseitig nicht vor allem Negativen bewahren konnten, aber Sie sind füreinander Engel, weil Sie sicher auch Boten der Liebe Gottes, der Freude, der Hoffnung, der Vergebung und des Neubeginns füreinander immer wieder waren. Und wo solche Werte gelebt werden, wo aus dem Glauben an Gott gehandelt wird, da ist er unter uns, da sind wir seine Boten, seine Gesandten für die Menschen, die uns nahe sind, und für die Welt.

In der gemeinsamen Entscheidung miteinander zu gehen, dem neuen Leben einen Raum zu geben, sind Sie beide auch für viele andere Menschen Engel geworden: für Kinder, Enkel, Freunde, und für die Pfarrgemeinde. Und wieder verwende ich diesen Begriff nicht als zuckersüße Darstellung von einem Lichtwesen, das alles Böse in die Schranken weist. Nein, ich verwende ihn für Sie, weil Sie in allen diesen Beziehungen, für die Sie Verantwortung übernommen haben, viel Herzblut gelegt haben. Und dort, wo das ehrliche Herz, wo der ehrliche Schweiß, wo die ehrlichen Mühen, vorhanden sind, da ist man ein Gesandter Gottes, weil es dabei um das Heil des Lebens geht.

Liebe Jubelpaare,
auch wenn Sie Engel, also Boten Gottes füreinander und für andere Menschen sind, haben Sie nicht immer den Himmel auf Erden. Auch Sie leben mit Ängsten und Sorgen, die sich auf die Kinder oder Enkelkinder und deren Zukunft beziehen. Auch Sie haben bereits die Wehwehchen und die Gebrechlichkeit des Alters erfahren und Ihre Themen bei den Klassentreffen kreisen um die Ärzte und Krankenhäuser. Auch Sie fragen sich, was Sie in Ihrem gemeinsamen Leben noch erreichen wollen, damit es im Rückblick nicht fehlerfrei, aber gut ist, und Sie dafür und füreinander dankbar sein können.
All das macht Sie menschlich, lehrt Sie demütig zu sein, lässt Sie nicht ganz abheben, sondern am Boden bleiben und macht uns dadurch bewusst, dass wir Gott noch immer in unserem Leben brauchen. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zu Ihrem Jubiläum. Ich wünsche Ihnen weiterhin Gottes Segen und seine Kraft, die Sie einander immer wieder zusprechen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie weiterhin für einander Engel bleiben: also Boten des Glauben, der Hoffnung und der Liebe, die Sie gut durch das Leben und zum ewigen Leben führen.

Slawomir Dadas, Pfarrer