Predigt am Faschingssonntag

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

da wir im Herbst das Kirchweihfest gefeiert haben und dadurch eine gewisse Nostalgie ausgebrochen ist, möchte ich Sie heute in die prähistorische Zeit unseres Wohnviertels einführen. Ich muss dabei auch bekennen, dass die Renovierungen der letzten Jahre nichts damit zu tun haben, dass die Kirche so baufällig gewesen wäre, sondern es handelte sich dabei um archäologische Ausgrabungen. Diese werden in den nächsten Wochen am Kirchenplatz noch fortgesetzt, insbesondere planen wir alle Bäume auszuheben um dort – zwischen ihren Wurzeln – die Antworten auf die letzten Fragen unseres Lebens zu finden. In den Katakomben unter den Bänken haben wir einige alte Schriftrollen gefunden, die die Geschichte dieses Ortes beschreiben. Einige Infos davon möchte ich Ihnen heute bekannt geben.

Vor ca. 60.000 Jahren wurde an der Stelle, an der wir uns heute befinden, die erste Kultstätte errichtet; rund herum nur Wälder und Wiesen, die als Versteck für Bären und Wölfe und Dinosaurier dienten. Viele Vögel nisteten im Gebüsch und in den Bäumen und dienten der Urbevölkerung als Nahrung. Die Birken am Kirchenplatz sind noch ein letztes Zeugnis von diesem Urwald und die Stadt Wels hat uns gebeten, mit ihnen sorgsam umzugehen. Darum haben wir beschlossen, diese Birken dem Welser Stadtmuseum zur Verfügung zu stellen. Ab Ende Februar können sie nur noch dort bewundert werden.

Die Steine für die erste Kultstätte wurden aus dem Lehm der Freizeitanlage gebaut, darum ist die Grube bis heute noch so groß und so tief. Es wird angenommen, dass vor allem die Frauen die Ziegelmachen mussten, weil die Männer sich nicht organisieren konnten. Die Haltung wurde genetisch vererbt und erklärt, warum in der Vogelweide nie die katholische Männerbewegung entstanden ist.

Um diese Kultstätte entwickelte sich ein blühendes Leben. Hunderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene versammelten sich jede Woche hier, um Gott zu danken, miteinander zu singen und ein großes Festmahl zu halten. Erst nachdem diese Siedlung groß und stark wurde, ist die Entscheidung gefallen zu expandieren und weitere Kultstätten in Wels zu bauen, die aber bis heute alle als Filialen der Vogelweide gelten. Darum muss jedes Mal die Vogelweider Mannschaft aushelfen, wenn ein Filialleiter schwächelt oder ausfällt – wie bereits in der Pernau oder voriges Jahr in der Stadtpfarre. Durch einen unbekannten Virus vor ca. 25.000 Jahren sind viele Bewohner erkrankt und konnten aus ihren Lehmhüten nicht heraus. Den Schwund der gläubigen Bevölkerung bis in unsere Zeit führt man auf diese Immunschwäche  zurück.

Große Unruhen gab es in der Vogelweider Kultstätte vor ca. 20.000 Jahren. Einige Untertanen unter der Führung des Prinzen Semi wollten die Macht übernehmen und den König stürzen. Nach einer Schlacht bei den Ölfeldern wurde sie besiegt und auf die andere Seite der Römerstraße verbannt. Ihre Nachkommen leben bis heute dort aber träumen noch immer davon, die Macht über ganz Wels zu gewinnen.

10.000 Jahre später kommt zu einer weiteren Zerreissprobe: Der alte König musste abdanken und ein neuer wurde eingesetzt, der die Leute unterdrücken wollte. Ob das der Putsch des abtrünnigen Volkes ob der Römerstraße war, ist bis heute unklar, aber sein Name Franzi könnte darauf ein Hinweis sein.

Danach kehrte der Friede in die Gemeinde ein. Der Schwundvirus, der die gläubige Vogelweide fast umgebracht hätte, konnte gestoppt aber noch nicht ganz besiegt werden. Es braucht noch viele Männer und Frauen, die bereit sind in die Kultstätte zu kommen, sich für den Glauben zu interessieren, ihre Kinder zu motivieren, damit sie eine gute Beziehung zu Gott in der Gemeinschaft aufbauen. Es braucht Menschen, die aus den Gottesdiensten Kraft schöpfen, die sich für die anderen einsetzen wollen, die gegen die Trends aufstehen und handeln und zeigen, dass eine gute Gemeinschaft Platz für alle hat und im Leben stärkt.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
zum Schluss möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, dass wir bei den Umbauarbeiten eine kostbare Rolle der Vogelweider Gebote gefunden haben. Sie wird an einem geheimen Ort aufbewahrt und Tag und Nacht von mehreren Personen bewacht. Weil sie so alt ist, ist sie nicht mehr ganz aktuell, aber ich lese Ihnen ihren Inhalt trotzdem einmal vor:

„Die Vogelweide Gebote für alle, die sich als Gläubige bezeichnen und die wollen, dass die Kultstätte noch Tausende Jahre bestehen kann:

  • Du sollst an den guten Gott glauben und dich am Leben der Gemeinschaft der Gläubigen aktiv beteiligen
  • Du sollst deine Kinder im Glauben erziehen und stärken und sie nicht den Moden überlassen
  • Du sollst nie zu spät in die Kultstätte kommen
  • Du sollst während der Predigt nicht schlafen, nicht am Handy spielen und keine Zeitung lesen
  • Du sollst in der Kultstätte laut mitsingen und mitbeten und nicht schauen, was deine Nachbarin heute angezogen hat
  • Du sollst nach dem Gottesdienst nie sofort nach Hause laufen, sondern dir Zeit nehmen, um mit den Menschen Gemeinschaft zu pflegen oder im Pfarrkaffe eine Zeit verbringen
  • Du sollst die Zeit des Frühschoppenbesuchs an die Zeit deines Gebetes in der Kultstätte anpassen“

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
60.000 Jahre unserer Geschichte. Von Dinosauriern über Mondlandung bis zur Whatsapp-Hochzeiten. Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, den Glauben und die Kirche nicht als Erscheinungen der Vergangenheit zu pflegen, sondern als eine lebendige Beziehung mit Gott und untereinander, damit unser Leben glücklich und erfüllt sein kann.

Slawomir Dadas
Pfarrer