Wie sicher ist Absicherung?

„In Jener Zeit, als Jesus im Tempel dem Opferkasten gegenüber saß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warten. Viele Reiche kamen und gaben viel. Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein. Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hinein geworfen als alle anderen. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss her gegeben; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles gegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt“. Mt 12, 41-44

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die Absicherung gehört zu den selbstverständlichsten Haltungen unserer Zeit. Vielen von uns, die zu den 40+ gehören wurde vermittelt, dass „Sich-Absichern“ ganz wichtig im Leben ist. Die Haltung entspringt dem Wunsch, dass es mir auch in der Zukunft gut geht. Die Älteren unserer Gesellschaft haben bereits erlebt, dass man vieles verlieren kann: z. B. 1938, während des Krieges oder 1947 im Jahr der österreichischen Währungsreform, bei der alle ein Drittel ihres Vermögens eingebüßt haben. Darum sparen, darum absichern. Das Sparvermögen wächst in Österreich seit Jahren ununterbrochen mit der Begründung der Altersvorsorge – also mit dem Blick in die Zukunft. Der Frage, was die besten Anlageformen sind, möchte ich hier nicht nachgehen, sondern eher der religiösen Fragen z. B. ob man im Leben alles absichern kann und welche Verführungen hinter einer unbedingten Absicherung stehen können? Denn gerade die biblischen Texte des heutigen Sonntags sind für uns ein Anstoß, darüber nachzudenken.

Dass sich nicht alles absichern lässt, haben wir in den letzten Jahren hautnah erlebt. Ein relativ gut entwickeltes Land wie Syrien, in dem viele Menschen auf unserem Niveau gelebt haben, wurde durch den Krieg aus der Sicherheit herausgerissen. Irgendwelche unübersichtlichen internationalen Interessen haben dort den relativen Frieden und relativen Wohlstand beendet. Viele, die bisher ein normales familiäres und kulturelles Leben hatten, sind auf einmal mit ein wenig Erspartem auf der Straße gestanden und mit der Zeit einige von ihnen auch bei uns. Und jetzt müssen sie wieder bei Null beginnen. Auf einmal zählte nicht die vermeintliche Sicherheit, sondern der Glaube an das Gute in den Menschen. Egal ob sie in ihrer Heimat auf der Flucht waren, oder in den Nachbarländern oder zu uns gekommen sind; sie hatte keine Sicherheit mehr, dass sie Aufnahme, Frieden und ein neues Leben finden. Sie mussten lernen, dass sie nicht alles in der eigenen Hand haben, sie mussten lernen, dass sie ausgeliefert sind. Der Glaube hat viele von ihnen getragen und vielen geholfen und auch die Erfahrung machen lassen, dass es wieder gut wird und die Not, sich wenden kann.

Das heutige Evangelium bringt aber noch ein weiteres Thema ins Spiel. Es will uns zum Nachdenken anregen, damit wir uns selbst prüfen, wenn wir spenden, wenn wir teilen, wenn wir etwas für andere tun. Ist unser Geben und unser Schenken ein Teil unseres Lebens, oder ist es nur dem Überfluss zuzurechnen? Sind aber solche Fragen berechtigt, speziell in solchen Momenten, wo wir rechnerisch gesehen großzügig sind? Aber das Beispiel der armen Witwe lässt uns nicht in Ruhe und die Deutung Jesu noch weniger. Denn bei Gott zählt beim Geben vor allem die Bereitschaft, das Leben zu teilen und nicht die Höhe der Summe, die aus dem Überfluss kommt. Beim Geben zählt das Herz, das sich spontan verschenkt und nicht der Kopf, der vorher alles durchkalkuliert und festgestellt hat, dass die Gabe den Geber in Wirklichkeit nicht berührt.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
es gibt viele Sprüche über das Geben und das Nehmen z. B.“ Geben ist seliger als Nehmen“ (Apostelgeschichte) oder „Sei stumm, wenn du gibst, aber sprich, wenn man dir gibt“ (aus Russland) oder „Das Ego nimmt. Die Seele gibt.“ (Gabriele Ende). Sie alle versuchen, eine Haltung in einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Kulturkreis zu beschreiben oder zu bestärken.

In den biblischen Texten und Geschichten, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, lässt sich eine besondere Haltung erkennen und zwar: Gott will, dass du nicht glaubst, dich um jeden Preis und in jeder Situation absichern zu können. Gott will, dass du trotz der besten Lebensversicherung, trotz der besten Zinsen, trotz der besten Aktienkurse noch immer daran glaubst, dass er für dich sorgt, dass du ihm ein Anliegen bist, dass er dich zum ganzheitlichen Heil beruft – zum Heil der Seele und zum Heil des Leibes. Gott will nicht, dass du dich verführen lässt und beginnst zu glauben, dass du im Irdischen und Vergänglichen Sicherheit und das Leben in Fülle findest. Er will nicht, dass die Absicherung dein Lebern so beherrscht, dass du nicht mehr bereit bist, dein Leben zu teilen.

Ich wünsche uns allen, dass wir großzügige Geberinnen und Geber sind und nach dem Beispiel des heiligen Martin oder der armen Witwe nicht den Überfluss, sondern das Leben miteinander teilen.

Slawomir Dadas
Pfarrer