Bestellt und nicht abgeholt

„Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augustus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in die Steuerlisten einzutragen. Diese Aufzeichnung war die erste; damals war Quirinus Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ Lk 2, 1-14

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
was verbinden Sie mit der Aussage: „Bestellt, aber nicht abgeholt“? Vielleicht denken Sie dabei an ein Paket, das von jemand bestellt, bezahlt wurde und mit der Zeit in Vergessenheit geraten ist. Oder vielleicht versteckt sich dahinter – natürlich ironisch gemeint – ein Date, zu dem jemand eingeladen und von der anderen Seite versetzt wurde. Oder haben Sie am Anfang der Corona-Pandemie die Nachrichten aus der Ukraine gehört, wo hunderte Babys, die von ausländischen Eltern bestellt wurden, nicht abgeholt werden konnten? Abgesehen von meinem Mitgefühl mit den Eltern, die keine Kinder bekommen können, halte ich es für verwerflich, Menschen auf Bestellung zu gebären. Noch weiter: Ich halte es für empörend, daraus einen Geschäftszweig zu machen mit einem Jahresumsatz von ca. fünf Milliarden Dollar. Ja, die Pandemie hat auch die dunklen Seiten des Lebens aufgedeckt – im Kleinen und im Großen. Und als ich im Zusammenhang mit Weihnachten darüber nachgedacht habe, ist mir der Gedanke gekommen: Jesus geht es in vielen Häusern und Familien so ähnlich wie den ukrainischen Babies: Bestellt und nicht abgeholt. Denn sogar zu Weihnachten, an seinem Geburtsfest, wird er nicht automatisch von allen angenommen und verehrt. Natürlich könnten einige jetzt sagen, reg dich nicht auf, er wurde nicht bestellt, darum kann er da stehen und auf die warten, die ihn aus Mitleid oder aus Verlegenheit aufnehmen.

Wenn er aber bestellt worden wäre, mit welchem Gedanken hätte man es gemacht? Gerade in unserer Zeit hätten einige Menschen genug Vorschläge für die Beschäftigung des göttlichen Kindes; eine sichere Impfung, Ende der Pandemie, Rückkehr zu der Zeit davor, wo alles scheinbar auf dem richtigen Platz gestanden ist.

Die anderen hätten sich vom göttlichen Kind vielleicht doch lieber eine gewisse Veränderung gewünscht: bessere Verteilung der materiellen Güter in Österreich und auf der Welt, sodass nicht automatisch die Reichen noch reicher werden und die Armen noch ärmer; oder noch mehr politischen Einsatz für Frieden nicht nur hier bei uns, sondern auch z.B. in Syrien nach zehn Jahren Krieg; oder einen öffentlichen Auftritt der Verantwortlichen in der Gesellschaft gegen die Verfolgung der Christen, die derzeit zu der meistverfolgten religiösen Gruppe gehören; oder mehr Engagement für den Klimaschutz, damit noch viele  Generationen nach uns die Schönheit der Welt genießen können.

Ja, wenn man das Jesuskind bestellt hätte, könnte es wahrscheinlich Tag und Nacht arbeiten, um die Welt im Sinne des Schöpfers wiederherzustellen.

Aber zu Weihnachten geht es nicht darum, ein schlechtes Gewissen zu haben, dass Gott von einigen zwar bestellt aber nicht abgeholt wurde. Zu Weihnachten geht es viel mehr darum, ihn als Bestellten oder nicht Bestellten in die eigene Welt einzulassen. Christus ist mitten unter uns, unabhängig von dem, wie viele es für gut und wichtig halten. Christus ist mitten unter uns, weil Gott gemerkt hat, dass eine nur auf der menschlichen Weisheit aufgebaute Welt in Chaos und in Gewalt endet. Ohne Christus gilt das Gesetz des Stärkeren, das Gesetz der Ausbeutung, das Gesetz des Egoismus und in Konsequenz der Zerfall der Gesellschaft. Mit Christus, ob bestellt oder nicht bestellt, beginnt das Gesetz der Nächstenliebe gegen den Hass, das Gesetz der Fürsorge und des Teilens gegen die Habgier, das Gesetz der Vergebung gegen die Gewalt.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
auch Weihnachten ist für einige ein Milliardengeschäft. Auch die Art, wie einige Weihnachten verunstalten, ist verwerflich und empörend. Aber gerade eine solche Situation hilft uns darüber nachzudenken, was wir von Christus und von seinem Geburtsfest für unser Leben erwarten.

Ich wünsche uns allen, dass Jesus von uns nicht nur heute sondern immer wieder bestellt und abgeholt wird, um unser Leben zu heilen und mit seinem Frieden zu füllen. Ich wünsche uns, dass wir gerade heuer entdecken, was die Gottespläne von der Welt sind; Pläne, die mit dem nicht bestellten, sondern in Bethlehem geschenkten Baby Hand und Fuß bekommen haben. Endlich wünsche ich uns, dass uns die Sorgen dieser Welt die Freude an Gott nicht nehmen, denn Gott liebt das Leben, auch wenn es manchmal in der einen oder der anderen Form nicht bestellt ist.

Slawomir Dadas
Pfarrer