Die Krippe ist die Tür zu Gott

„Als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Bethlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ. So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten. Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten, denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.“ Lk 2, 15-20

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wir haben uns im Advent mit den Türen beschäftigt. Vier haben wir aufgestellt: die Türen der Gerechtigkeit, der Gemeinschaft, der Freude und der Begegnung. Wir haben Türen aufgemacht zu einem besseren Leben mit den Menschen, zu einem Leben, bei dem jede und jeder für sich einen guten Platz finden kann.

Heute geht es um eine andere, weitere Tür; es geht um eine Tür zu Gott. Diese Tür kann man sich sehr unterschiedlich vorstellen: vergoldet, gut versperrt, wie der Tabernakel und wie in den lustigen Geschichten zumindest bewacht durch den Petrus, der sie vor keinem unerwünschten Eindringling aufmacht. Ja, in der Reihe von Witzen über die Himmelspforte muss man schon einiges geleistet haben, damit sie aufgeht. Aber für uns zu Weihnachten bekommt diese Tür einen besonderen Ausdruck und als Symbol dafür steht unsere Krippe. Die Krippe ist die Tür zu Gott. Denn wer zu Gott will, dem echten Gott, nicht dem selbstgemachten für die eigenen Bedürfnisse, nicht dem, der mein Leben bestätigen sollte, egal wie ich es gestalte, sondern zu dem echten, so wie er ist, der muss durch die Krippe durch.

Aber warum gerade durch die Krippe? Warum ist sie eine besondere Tür zu Gott, zur Begegnung mit ihm?

Die Krippe ist im Grunde genommen ein Gegenteil zu dem, was die Menschen anstreben. Sie hat weder mit Reichtum noch mit Macht etwas zu tun, sie ist kein Ort, an dem man Urlaub plant oder freie Zeit verbringt. Und gerade darum ist sie die Tür zu dem echten, wahren Gott, der von den Menschen so oft missverstanden und missbraucht wird. Schauen wir uns die Krippe an, damit wir sie überhaupt als die Tür zu Gott verstehen können.

Die Krippe ist zuerst ein Ort, an dem alles auf das Notwendigste reduziert ist. Sie bietet nur wenig Ablenkung. Und das ist der erste Schlüssel zu der Tür Gottes. Dort, wo der Mensch sich nicht ablenken lässt, dort wo er das Unnötige auf die Seite schiebt, dort öffnet sich ihm die Tür zu Gott, dem in Einfachheit zu begegnen ist.

Die Krippe ist ein Ort des Lebens. Die Geburt ist immer ein Geschenk und eine Herausforderung. Wo der Mensch sich um das Leben annimmt, wo er sich in den Dienst des Lebens stellt, dort ist der nächste Schlüssel zu Gott. Gott lässt sich im Leben finden, dort, wo das Leben geschützt, geehrt, gepflegt wird. Dort, wo für das Leben Verantwortung übernommen wird, damit es sich entwickeln und entfalten kann, dort öffnet sich die Tür zu Gott.

Die Krippe ist ein Ort der offenen Begegnung. Sie ist weder von einem Stacheldraht noch von einer Mauer umzingelt. Hirten, Schaulustige, Könige, Menschen aller Generationen, Rassen und Stände sind in der Krippe willkommen. Und genau diese Haltung ist der nächste Schlüssel zu der Tür Gottes. Gott lädt alle Menschen guten Willens ein und er will allen in Liebe und in Barmherzigkeit begegnen.

Die Krippe ist auch ein Ort der Einheit der Schöpfung. Engel, Menschen und Tiere sind zusammen. Die Erde ist nicht mehr der Ort der Verdammnis, der Strafe Gottes für den Ungehorsam im Paradies. Sie ist ein Ort, an dem sich die irdische Unvollkommenheit mit der göttlichen Vollendung vermischt. Gott ist uns nicht mehr fern. Er lässt sich finden, er lässt sich angreifen und alle, die bereits hier mit ihm leben, haben den nächsten Schlüssel zu seiner Tür gefunden.

Und endlich ist die Krippe ein Ort der Verkündigung. Sie ist nicht nur zur Anbetung da, zur Bewunderung und Meditation in der freien Feiertagsstunde. Sie ist ein Zeugnis, eine Botschaft, die man weitersagen sollte; wie die Hirten, die verändert nach Hause zurückkamen und allen von dem Erlebten erzählten. Was zu verkünden ist, ist nicht kompliziert und es tut gut: Gott ist bei uns, Gott geht mit uns, die Tür zu seinem Reich steht für uns offen. Kommt, lasst Euch auf ihn ein!

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die Türen zu einander und die Tür zu Gott sind untrennbar miteinander verbunden. Denn dort, wo man einem Menschen in Gerechtigkeit und Freude begegnet, dort entsteht Gemeinschaft unter den Menschen und mit Gott. Die Krippe ist für uns ein Zeichen der offenen Türen, durch die wir Zugang finden zu einem bessern Leben.

Ich wünschen uns allen, dass uns diese Weihnachtstage bewusst machen, dass es dabei nicht um Brauchtum und nicht um Stimmung geht, sondern um offene Türen, die uns miteinander und die Erde mit dem Himmel verbinden.

Slawomir Dadas
Pfarrer