Mette: Wenn der Himmel die Erde berührt …

„Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft,und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.“ (Lk 2, 6-11)

Predigt und Fotos von der Feier der Geburt Christi:

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

laut dem deutschen Medienpsychologen Michael Gestmann gibt es zwei schnellste Wege, um in die Schlagzeilen der Boulevardpresse oder in die Hauptsendezeit der Radio- und Fernsehstationen zu kommen: Man muss entweder schlechte Nachrichten liefern – am besten von nationaler Bedeutung, oder man muss ein Promi sein und sich wieder einmal von der eigenen Lebensgefährtin trennen. Berichte über Krisen, Katastrophen und Skandale werden mehr als alles andere konsumiert. Die Medienexperten wissen, dass einen Menschen im Durchschnitt nur eine bis zwei Botschaften von tausenden richtig erreichen. Das bedeutet, es müssen solche Nachrichten veröffentlicht werden, die sich von der Menge abheben und bei denen sich der Konsument emotional angesprochen fühlt, aufregt – also die sogenannten „bad news“. Thomas Hinrich – er ist Mitglied der ARD-Chefredaktion – meint, dass gerade solche Nachrichten für ein Lebendigkeitsempfinden der Mediennutzer sorgen. Denn, wie er es nennt: in der Zeit oft toter Beziehungen, des grauen Alltags, der ungelebten Träume, sind die schlechten Nachrichten eine grandiose Möglichkeit, sich selbst besser zu fühlen.

Und da beginnt unser christliches Problem. Wir glauben an einen Gott, der zumindest aus der heutigen Sicht keine Skandale und nichts Aufregendes produziert. Denn wer regt sich schon darüber auf, dass er – der König des Friedens – in der Stille eines Stalls geboren wurde. Wer wird schon davon emotional berührt, dass er – der lange erwartete Erlöser – um nichts besser sein will, als der durchschnittliche Mensch. Oder wer kann sich besser fühlen, wenn es ihm bewusst wird, dass Gott mit den Schwachen, Verlassenen, Nichtanerkannten solidarisch sein will. So schafft er es nicht in die Schlagzeilen.

Um in die Zeitungen zu kommen, müsste er anders sein und anders handeln: Er müsste einmal mit seiner ganzen Macht erscheinen, vielleicht mit einigen Engeln, die ihn wie Bodyguards vom gewöhnlichen Volk abschirmen. Er müsste den Menschen wie im Alten Testament zeigen, wer da das Sagen hat und wem man folgen muss. Er müsste dem Durchschnittsbürger, der bereits jede Achtung vor einer höheren Macht verloren hat, Angst einjagen, mit ein paar Schicksaalschlägen drohen, und diese wie die Plagen gegen den Pharao einen nach dem anderen durchführen. Er könnte die Zweifler und die Kirchenkritiker der Sprache berauben, wie es beim Zacharias der Fall war, als er nicht glaubte, dass seine Frau noch ein Kind bekommen kann – so lange, bis sie sich bekehren und seine Größe anerkennen. Er könnte politische Probleme lösen z.B. in der Otto-Loewi-Straße Ordnung machen und dadurch für ganz Österreich ein Exempel statuieren gegen alle, die sich nicht integrieren wollen. So hätte er das Medieninteresse auf seiner Seite. Ob er das aber will?

Wenn Gott in die Welt eintritt, wenn der Himmel die Erde berührt, dann gibt es keine bad news. Wenn Gott sein Gesicht zeigt, dann kann man damit kein Geld verdienen, denn dann gibt es nur noch die Frohe Botschaft. Gott ist zwar radikal, er stellt sich entschieden auf die Seite derer, die nicht beachtet werden, aber er macht es auf eine Weise, die bei sensationslustigen Empfängern nicht ankommt. Er wählt die Bescheidenheit, die stille Solidarität, die unscheinbare aber spürbare Zuwendung. Er stärkt und baut auf. Er spricht das Herz an, um zu vermitteln: Ich bin bei dir, gerade wenn du nicht im Mittelpunkt stehst und ich verlasse dich nicht.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

dort, wo der Medienrummel herrscht, dort wo es ums Geld, um Macht und um die ersten Plätze in dieser Welt geht, dort ist Gott nicht im Spiel. Dort wo der graue Alltag nur noch durch schlechte Nachrichten durchbrochen wird, damit beim Empfänger das Gefühl aufsteigt „ich bin doch nicht so schlecht, wie die anderen“ und bei den Medienmachern die Kassen klingen, dort ist Gott nicht im Spiel. Denn Gott berührt die Erde mit dem Himmel still und nicht auf Kosten der anderen.

Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, aus tausenden Botschaften, die uns tagtäglich erreichen, die herauszufiltern, die von Gott stammen. Ich wünsche uns, dass wir erkennen, wann und wo der Himmel die Erde berührt und dass wir bei solchen Ereignissen persönlich dabei sind.

Slawomir Dadas

Pfarrer