Dankbar sein? – Wofür denn?

predigt2„Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu zu Boden und dankte ihm.“ (Lk 17, 15-16a)

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

das Leben wird ungefragt jeder und jedem von uns geschenkt. Gerade diese Tatsache wirft einige Fragen auf und führt zu verschiedenen Haltungen in der Gesellschaft.

Einige sagen ganz offen: Warum soll ich für etwas dankbar sein, worum ich nicht gebeten habe? Und sie leben mit einer ausgestreckten Hand, ohne Anzeichen der Dankbarkeit, aber dafür mit der Überzeugung, dass ihnen alles zusteht. Im Alltag wirken solche Menschen sehr fordernd, manchmal arrogant und neigen zur Unhöflichkeit, wenn sie nicht alles bekommen, was sie sich erwartet haben. Andere sehen im Leben ein Geschenk, aber weil sie gelernt haben, dass jede Leistung eine Gegenleistung verlangt, versuchen sie alles zu begleichen, zu bezahlen, um niemandem etwas schuldig zu sein. In der Begegnung mit solchen Menschen entsteht das Gefühl, dass sie nicht frei sind, beschenkt zu werden. Wieder andere verstehen das Leben und vieles was ihnen begegnet als eine unverdiente Gabe an sie und entwickeln die Haltung der Dankbarkeit, die einerseits annehmen kann, und andererseits bereit ist, andere zu beschenken.

Das Erntedankfest ist für uns eine Gelegenheit zu prüfen, wie ich zum Geschenk des Lebens stehe, und ob ich bereit bin, mich von Gott beschenken zu lassen.

Wenn wir die angesprochenen Haltungen auf die Beziehung zu Gott übertragen, auf unsere Fähigkeit, seine heilenden Kräfte schon hier im Leben anzunehmen, dann wird es uns klar werden, dass nicht jeder Mensch in gleicherweise auf das Geschenk des Heils offen ist. Denn weder jemand, der glaubt, dass ihm alles zusteht, dass auch Gott ihm gegenüber nur die Pflichten eines Gebers hat, noch jemand, der niemandem etwas schuldig bleiben will, wird unseren großzügigen Gott in vollen Zügen genießen können.

Auch wenn Gott nicht alle Probleme unseres Lebens löst, auch wenn er uns manchmal mehr zumutet, als uns angenehm und lieb ist, will er unser Heil schon jetzt und in der Ewigkeit. Sein Heil findet Ausdruck im Geschenk der Schöpfung und des Lebens, in der Erfahrung der liebevollen Zuwendung durch andere, in seiner sakramentalen Gegenwart unter uns in der Kirche und in seiner Zusage, dass er dort ist, wo sich Menschen guten Willens in seinem Namen versammeln. Gott ist großzügig und will, dass wir an seinem Glück und am Leben in Fülle teilhaben. Gerade Jesus Christus hat uns vorgelebt, wie Gott ist: der Schöpfer, der in der Schönheit der Natur seine Vollkommenheit spiegelt, der Heiler, der dem Verlorenen nachgeht, der die Ausgestoßenen in die Mitte stellt, der den Kranken neue Hoffnung schenkt, der Erlöser, der die Sünden vergibt, die Trennungen überwindet und die Verstorbenen in das Reich des Vaters führt und endlich der Begleiter, der uns seinen Geist schenkt, damit wir auf den Wegen des Lebens nicht alleine gehen. Gott ist großzügig und jede und jeder kann daran teilhaben und soll dafür dankbar sein.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
oft werden wir ungefragt beschenkt. Jedes Geschenk ist immer ein Ausdruck der Freundschaft, der Liebe, der Zuwendung und dadurch ein Ausdruck einer besonderen Beziehung. So ist es auch mit unserem Leben, mit dem von Christus versprochenen Heil, mit der Möglichkeit an der Schöpfung teilzunehmen. All das ist ein Ausdruck der Beziehung Gottes zu uns, der uns dadurch zur Freundschaft einlädt.
Ich wünsche uns allen, dass wir in der Haltung der Dankbarkeit leben. Ich wünsche uns, dass wir die Großzügigkeit Gottes nicht übersehen, sie nicht bezahlen wollen, sie nicht als Selbstverständlichkeit annehmen. Ich wünsche uns, dass wir auf seine Sorge und auf seinen Plan, uns mit dem Leben in Fülle zu beschenken, mit der Beziehung zu ihm antworten, die durch die Dankbarkeit geprägt wird.

Slawomir Dadas, Pfarrer