Pfingsten gegen die Vortäuschung des Lebens

predigt2„Die Werke des Fleisches sind deutlich erkennbar: Unzucht, Unsittlichkeit, ausschweifendes Leben, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Missgunst, Trink- und Essgelage und Ähnliches mehr. Ich wiederhole, was ich euch schon früher gesagt habe: Wer so etwas tut, wird das Reich Gottes nicht erben. Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung; dem allem widerspricht das Gesetz nicht.“ (Gal 5,19-23)

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

eine der prominentesten Eigenschaften unserer Zeit ist die Illusion. Ich meine dabei nicht die Kunst der bewussten Magie, die uns bei einer Vorstellung zum Staunen bringen sollte. Ich meine die Illusion, also die Täuschung der Menschen, die in der Politik, in der Gesellschaft oder auch in den Massenmedien bewusst praktiziert wird. Die großen Affären der letzen Jahre zeigten bereits einiges auf, vieles bleibt aber weiterhin verborgen. Die deutsche Regierung lebte in der Illusion, dass sie nicht abgehört wird, das Land Kärnten, dass es mit der Hypo Alpe Adria einen guten Partner hat, die Bevölkerung von Wels, dass die Beamten des Magistrates mit unseren Steuergeldern gut umgehen.

Alles eine Illusion, die aber keinen Applaus verdient, sondern uns bewusst macht, wie verlogen unsere Zeit ist. Wir werden manipuliert, wir werden gesteuert und alles in dem guten Glauben, dass man dagegen nicht viel tun kann. Ja, langsam hat man das Gefühl, dass sich viele Menschen daran gewöhnt und damit abgefunden haben. Viele haben die Hoffnung auf eine bessere, ehrlichere Welt aufgegeben.

Gerade gegen all diese Haltungen feiern wird das Pfingstfest, das Fest des Geistes, der uns stärkt und Mut macht und in die ganze Wahrheit führen will. Pfingsten ist ein Fest gegen die Resignation angesichts der egoistischen, scheinbar gottlos geworden Gesellschaft und angesichts der schwindenden Haltung der Solidarität und der Nächstenliebe. Es ist auch ein Fest des Ausstiegs aus der organisierten Illusion, die die Menschen vom wahren Leben entfernt und in einer Scheinwelt leben lässt. Pfingsten ist ein Fest des Geistes, der weht, um die Erde zu erneuern, um ihr ein menschliches und dadurch ein göttliches Gesicht zu geben.

Jede und jeder, der sich auf den Geist Gottes öffnet, wird mit seinen Gaben beschenkt. Zuerst mit den Gaben, die helfen die Wahrheit von der Täuschung zu unterscheiden.

Und die Wahrheit im Sinne Gottes ist mehr als eine Ansammlung von Weisheiten und Gesetzen, die jemand zu einer bestimmten Zeit für richtig hält und die sich von Zeit zu Zeit verändern können. Wahrheit im biblischen Sinne bedeutet: für immer gültig – also ein Fundament auf dem ich stehen kann, auch wenn alles andere um mich herum wankt. Sie ist zuverlässig und gibt Halt, auch wenn die Systeme und Menschen mich im Stich lassen. Darum konnte Jesus sagen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Er spielt nicht mit unseren Sehnsüchten nach Glück und Anerkennung, die in der Scheinwelt mit Geld und Fernsehauftritten bemessen werden, sondern er zeigt uns einen neuen Weg, einen Weg der Liebe, der Freude, des Friedens – die das Leben in Fülle ausmachen.

Weiters wird jede und jeder, der sich dem Geist Gottes öffnet, mit Mut und Stärke beschenkt. Dabei geht es weder um ein großes Mundwerk noch um ein paar austrainierte Muskeln. Mut und Stärke im Sinne Gottes bedeuten, sich gerade dort zu Wort zu melden, wo Ungerechtigkeit passiert, auch wenn alle anderen dabei zuschauen. Es bedeutet, für den Leidenden und Ausgebeuteten aufzustehen, auch wenn es nicht populär ist; es bedeutet, bei Schwierigkeiten nicht zu resignieren, dem Bösen in der Welt nicht nachzugeben, sondern es aufzuzeigen und dagegen zu handeln.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Pfingsten ist ein Fest gegen die Vortäuschung des Lebens. Dort, wo der Geist Gottes zu wirken beginnt, kann sich das wahre Leben entwickeln. Dort können Menschen sich an seinen Früchten erfreuen und Friede, Freundlichkeit, Güte und Sanftmut genießen.

Dort, wo der Geist Gottes durch den Schein ersetzt wird, dort gibt es die Früchte, die das Leben zerstören: Unsittlichkeit, Feindschaften, Spaltungen, Neid und Missgunst.

Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, unser Leben aus dem Heiligen Geist zu gestalten. Ich wünsche uns, dass wir nicht der Illusion verfallen, die ins Unglück führt, sondern uns dafür entscheiden, was unserem Heil hier und in der Ewigkeit dient.

 

Slawomir Dadas
Pfarrer