Ein bisschen ist zu wenig

„Ein bisschen Frieden“ lautete der Titel eines Liedes mit dem deutsche Sängerin Nicole Hochloch 1982 ersten Platz im Schlagerwettbewerb gewann. Das Lied kannte ich nicht. In letzten Tagen habe ich es ein paar Mal im Radio gehört. Da zeigte sich, dass viele Menschen vom Ende des Gewaltdenkens träumen.

Überall in diesen Tagen ist vom Unsicherheit, Terror und Krieg, die Rede. Wir können diese Schreckensmeldungen nicht mehr hören, weil wir keine Auswege sehen. Je friedloser uns die Welt erscheint, umso stärker wird die Sehnsucht, dass es anders sein möge. Mitten drin in diesen Zuständen, mitten drin in dieser Welt feiern wir Weihnachten. Das Thema des Schlagers ist heute noch aktueller als damals vor 34 Jahren. Der Wunsch nach Frieden ist momentan so stark bei den Menschen. Dass auf der Erde Friede sei, ist auch der zentrale Weihnachtsbotschaft. Die Engel loben Gott und singen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14)

Ist diese Weihnachtsbotschaft nur eine unerfüllte Wunschvorstellung? Frieden wollen wir haben, auch wenn es nur ein bisschen davon ist. Eigentlich müsste es aber mehr sein. Mich erschreckt der Titel: Ein BISSCHEN Frieden. Das klingt für mich nach kleiner Portion. Setzen wir das Wort „BISSCHEN“ mal vor andere Inhalte.
Ein bisschen Krieg auf der Welt, etwa so wie der, der jetzt in Syrien, Afghanistan, in der Ukraine usw., im Gange ist, oder ein bisschen Krebs.
Ein bisschen Scheidung. Ein bisschen arbeitslos, ein bisschen tot, ein bisschen schwanger. Ein bisschen Weihnachten.
Merken wir, ein bisschen Frieden ist Lüge, ein bisschen Frieden ist zu wenig.
Ein bisschen Krieg gibt schon Tote. Ein bisschen Krebs ist schon Krebs.
Ein bisschen Scheidung heißt: die Ehe ist kaputt.
Ein bisschen arbeitslos, da ist das Ende noch nicht abzusehen.
Ein bisschen tot, da liegt einer im Sterben.
„Ein bisschen schwanger“, sagte jemand und meinte, das könne man noch korrigieren.
Ein bisschen ist eine kleine Portion in lebenswichtigen Dingen. Dazu zähle ich unser Verhältnis zu Gott. Ein bisschen Christsein hat uns eine Christenheit in beklagenswertem Zustand beschert. Ein bisschen Glaube ist ein kraftloser Glaube. Ein bisschen Opfer ist nicht der Rede wert. Es ist eine Beleidigung gegen Gott, der sich für uns selbst gegeben hat. Ein bisschen in die Kirche gehen heißt: Zuschauer bleiben. Ein bisschen Weihnachten ist Weihnachtsdekoration. Ein bisschen Bekennen ist Feigheit. Ein bisschen Frieden mit Gott ist die Unruhe, die Sprechzimmer der Psychiater quellen über.

Nicht nur ein bisschen, sondern die Fülle des Friedens, nämlich Christus selbst ist dann zum Weihnachten zu uns gekommen. Das ist nicht ein Frieden, der auf Verträgen beruht oder an Bedingungen geknüpft ist. Es ist kein Frieden nach dem Vorbild der Welt. Es ist ein göttlicher Frieden – direkt vom Friedensfürsten, Jesus! Der Friede Gottes ist nicht die Abwesenheit von Nöten, Sorgen oder Problemen. Der Friede Gottes ist ein Getragen-Werden und ein Geborgen-Sein inmitten der Donner und Blitze des Lebens. Der Weihnachtsfrieden ist mehr als weihnachtliche Gefühligkeit. Dass wir kein halbes, sondern ein ganzes Weihnachtsfest feiern, gerade in diesem Jahr, das ist mein Wunsch für uns alle.

Schwestern und Brüder!
Träumen wir nie von einem „bisschen“. Ein bisschen ist zu wenig. Peilen wir bei unserem Christsein immer das Ganze an. Nicht ein bisschen, sondern das ganze Christsein wird Freude, Friede und Glück in meinem Leben bringen. Deshalb wünsche ich Ihnen heute (Abend) nicht nur friedvolle Weihnachtstage, sondern ich wünsche uns allen, dass wir von Gott inneren Frieden geschenkt bekommen. Frieden, der uns fähig macht, ihn weiter zu tragen. Ich wünsche uns allen, dass wir ihm Platz und Raum geben in unserem Leben. Ich wünsche uns, dass wir Gott in unser Leben einlassen und dadurch seine Liebe und seine Nähe und seinen Frieden erfahren können.

Gesegnete Weihnachten!

Niko Tomic, Kaplan