Wandel: Kein Jubel mehr!

Kein Gedränge in den Straßen von Jerusalem am Palmsonntag

Wem möchten Sie zujubeln? Für wen würden Sie auf die Straße gehen und ihm oder ihr begeistert zurufen, Fahnen schwenken, Blumen streuen, in Sprechchöre einstimmen? Manchmal hört man Jubelschreie und Fangesänge, wenn ein Fußball- oder Popstar durch die Straßen zieht oder es gibt ein riesen Gedränge, wenn die ehrwürdige Queen mit der Kutsche durch die Straßen fährt und erhaben winkt, oder der Papst mit dem Papamobil am Petersplatz zu sehen ist.

So oder so ähnlich dürfen wir uns auch den Einzug Jesu in Jerusalem vorstellen. An diesem Tag ritt Jesus auf dem Rücken eines geliehenen Esels in Jerusalem ein. Warum nimmt er sich plötzlich einen Esel? Er, der immer zu Fuß gewandert war? Das versteht man besser, wenn man die Stelle vom Propheten Sacharja aus dem Alten Testament  kennt: „ Brich in Jubel aus, Tochter Jerusalem! Siehe dein König kommt zu dir, gerecht und ein Retter ist er, demütig, und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen, dem Jungen einer Eselin. Dann werde ich die Kriegswagen aus Ephraim ausrotten. Und er wird den Völkern Frieden gebieten, und seine Herrschaft wird von Meer zu Meer, vom Euphratstrom bis an die Enden der Erde reichen.“ Die Menschen haben ihm, dem Rabbi aus der Provinz zugejubelt, als er am Sonntag vor dem Pessachfest in die Hauptstadt einzog. Auf einmal war er ein Star. Menschenmengen kamen aus ihren Häusern, um ihn zu begrüßen, zu bejubeln und legten ihre Kleider auf den Boden. Es erinnert mich an das Ausrollen der roten Teppiche für die Superstars bei der Golden Globe Verleihung. Die Menschen drängen sich um ihre Stars, wollen sie sehen, wollen sie berühren, jubeln ihnen zu. Und sie stimmen in Sprechchöre ein und schreien: „Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ „Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt.“  Jesus ritt tatsächlich nach Jerusalem um seinen Anspruch als Messias und König von Israel publik zu machen. Der Einzug glich tatsächlich einem Einzug eines Königs. Er beanspruchte den lang verwaisten Thron des Landes Juda. Das war die pure Provokation für die jüdischen Aristokraten und die römische Besatzungsmacht. Er ritt zum Tempel, wo er die Leute lehrte und die Geldwechsler und Händler aus dem Haus seines Vaters trieb, das sie zu einer Räuberhöhle gemacht hatten. Das war Zündstoff für eine Revolution. Vielleicht jubelten ihm viele auch nur zu, weil sie in ihm einen Revolutionsanführer sahen, der sie von der verhassten Unterdrückung der römischen Besatzungsmacht befreien würde. Eine Revolte gegen Rom.

Es ist überliefert, dass Jesus hingerichtet wurde, weil er sich als Messias, als König der Juden ausgegeben hatte. Aber das Königreich der Juden gab es schon seit 600 Jahren nicht mehr. Der letzte jüdische König Zedekija wurde nach einem Aufstand gegen den babylonischen König  Nebukadnezar hingerichtet, nachdem er noch der Hinrichtung seiner eigenen Kinder zusehen musste.  Das war eine Schmach, eine Demütigung, eine tiefe Wunde im jüdischen Volk. Mit dem beginnenden Babylonischen Exil endete die Herrschaft des Hauses David. Von da an träumten die Juden immer wieder von einem eigenen Herrscher aus dem Hause Davids. Dieses Herrscherbild wurde idealisiert. Jüdische Könige hatten den Beinamen Messias. Das war ursprünglich kein religiöser Titel, sondern ein Ehrentitel für Könige. Erst in den Psalmen entwickelte sich der Titel Messias zu einem Idealbild eines von Gott geliebten kommenden Königs.  Die Juden träumten von einem König aus dem Hause Davids, der das Volk wieder groß und mächtig machen würde. König Herodes war von den Römern als König eingesetzt worden. Er war aus dem Volk der Idomäer und damit kein echter Jude, obwohl er die jüdische Religion angenommen hatte. Viele Juden hassten Herodes, genauso wie sie die Römer hassten. Judas war zum Beispiel einer, der mit der römischen Besatzungsmacht ein Riesenproblem hatte. Er hat sich wahrscheinlich gewünscht, dass Jesus, der von Gott gesandte Messias, einen Aufstand gegen die Römer anführen würde. Aber dieser armselige Einzug auf einem störrischen Esel passt gar nicht zu einem Revolutionsführer. Schon gar nicht das sich ohne Gegenwehr verhaften lassen. Vermutlich ist für Judas eine Welt zusammengebrochen. Alle Hoffnungen auf einen Umsturz wurden zunichte gemacht. Als die Menschen merkten, dass er keinen massiven Aufstand anführen würde, wandte sich die Menschenmenge rasch von ihm ab. Aus dem „Hosanna“ wurde binnen weniger Tage ein „Kreuzige ihn!“

Max Angermann schrieb 2005:“Diese Begebenheit des Palmsonntags trifft doch immer wieder auch unsere Lebenssituation: Wir erwarten mitunter von anderen viel, setzen unsere ganze Hoffnung in den anderen, preisen seine Vorzüge an und dann kommt die Enttäuschung.

Aber auch die umgekehrte Lage tritt ein: Wieviel wird einem zugemutet, bestimmte Aufgaben souverän zu erfüllen, man spürt die Überforderung und das großartige Lob wandelt sich in Spott, Hohn, abfällige Bemerkungen, wenn etwas schief geht. Lob und Vorschusslorbeeren liegen eng neben Tadel, Frust, Enttäuschung und Wut.“

Birgit Raffelsberger (Quelle: Predigtforum der Redemptoristen)
Pastoralassistentin