Predigt bei der Ehejubilarfeier

„Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Jetzt ist die laute Klage der Israeliten zu mir gedrungen und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie unterdrücken. Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus! Mose antwortete Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen könnte? Gott aber sagte: Ich bin mit dir; ich habe dich gesandt und als Zeichen dafür soll dir dienen: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr Gott an diesem Berg verehren. Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen darauf sagen? Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der «Ich-bin-da». Ex 3,5b-14a

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wenn man den Psychologen Glauben schenkt, dann gibt es in der Ehe mehrere Phasen, die man auf vier zusammenfassen kann. Die erste Phase wird als Ehetraum bezeichnet – zwei Menschen verlieben sich und es werden in ihnen die Sehnsüchte geweckt nach Glück, nach Nähe, nach der Erfüllung der Träume. Nach dieser Zeit der Faszination wird man geerdet, man erlebte einige Enttäuschungen, man nimmt die rosaroten Brillen ab und sieht, dass der Prinz auch nur ein Mann und die Prinzessin auch nur eine Frau mit Ecken und Kanten ist und aus dem Ehetraum wird hier und dort ein Ehealbtraum. Wenn man die Phase übersteht, kann man zu einem Ehealltagstraum übergehen. Man merkt, dass man miteinander glücklich sein kann trotz des Alltags, trotz so vieler Schwierigkeiten und Probleme, die nicht unbedingt gegeneinander ausgespielt, sondern miteinander gelöst werden sollten. Und wenn das gelingt, dann beginnt die Traumehe – weil man sich gegenseitig als Bereicherung erlebt, als Ergänzung, wodurch man neues Glück erfahren kann.

Das klingt logisch und nicht so kompliziert, aber es hilft trotzdem nicht allen Paaren, ihren ersten Ehetraum zur Traumehe zu führen.

Denn die Ehe hat nichts mit psychologischen Tricks zu tun. Sie kann nicht gelernt werden, wie man ein Gedicht lernt. Das Geheimnis der Ehe liegt für mich in dem Bild des brennenden Dornbusches, im Bild der Begegnung Gottes mit dem Mose. Dort gibt es zwei besondere Formulierungen, die ich auch für die Ehe verwenden möchte: „der Ort, wo du stehst ist ein heiliger Boden“ und mein Name ist, „Ich bin da“.

Wenn jemand eine Beziehung zwischen zwei Menschen für heilig hält und sie nicht missbraucht zur Befriedigung seiner eigenen Wünsche, dann wird eine solche Beziehung auch halten. Denn eine Beziehung als heilig zu betrachten bedeutet, sie nicht auf die Erledigung der Alltagsgeschäfte zu reduzieren, es bedeutet, in ihr immer etwas Besonderes zu sehen. Eine Ehe ist dann ein heiliger Boden, wenn sie immer in Verbindung mit Gott gebracht wird; weil Gott die  Enttäuschungen heilen kann und er hilft, auch solche Aufgaben zu meistern, die menschlich gesehen zum Scheitern verurteilt sind. Ja, die Ehe muss als ein heiliger Boden gesehen werden, wenn sie glücklich gelebt werden sollte.

Der Name Gottes passt auch besonders gut für die Beziehung zweier Menschen, die sich lieben. Ich bin da – muss natürlich sprachlich durch „für dich“ ergänzt werden. Denn Gott wollte mit seinem Namen nicht unbedingt auf seine Existenz hinweisen, sondern auf seine Beziehung zum Volk. Ich bin für euch da, egal wie es euch geht, egal wohin ihr geht, egal wie ihr euch entwickelt – ich bin für euch da. Gerade dieser Name hat dem Volk Israel geholfen, aus der Sklaverei aufzubrechen und den Weg einer neuen Freiheit zu beschreiten. Der Name Gottes „Ich bin für euch da“ hat den Menschen geholfen, die Hoffnung nicht aufzugeben, als sie im Exil gelebt haben, als ihr Glück bedroht wurde und das gelobte Land noch weit, weit weg zu sein schien. Zu wissen, dass die andere Person für mich da ist, ist das zweite Geheimnis einer gelungenen Ehe.

Liebe Jubelpaare,
Sie haben schon viele Jahre gemeinsam gestaltet. Ob Sie sich selbst als Traumehe bezeichnen, oder von den anderen so genannt werden – weiß ich nicht, und es ist auch nicht so wichtig. Denn das Wesentliche einer Ehe ist, einen Menschen gefunden zu haben, der dem anderen das Gefühl der Wertschätzung, der Achtung entgegen bringt, die etwas mit der Heiligkeit eines Menschen zu tun haben. Das Wesen einer Ehe ist es auch, für einander da zu sein, um miteinander für andere da sein zu können. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zu Ihrem Jubiläum. Ich wünsche noch viele Jahre in Gesundheit und Freude und vor allem die Erfahrung, dass Sie durch Ihre Ehe wachsen und sich entfalten können. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Ehe als etwas Heiliges betrachten, dann wird Gott Ihnen zur Seite stehen und helfen, das gelobte Land hier und bei ihm zu erreichen.

Slawomir Dadas
Pfarrer