Friede, den die Welt nicht gibt

Das Thema Friede ist plötzlich in den Fokus gerückt. Grund dafür ist natürlich der Krieg in der Ukraine. Nicht, dass es sonst keine Kriege gegeben hätte oder geben würde, aber die sind halt viel weiter weg und treffen unser Interesse und Mitgefühl nur am Rand.

Es ist also Krieg in unserer Nachbarschaft. Der gewohnte, für uns eigentlich schon selbstverständliche Friede scheint in Gefahr, genauso wie unsere Energieversorgung und damit unser Wohlstand. Es wird diskutiert, was getan werden könnte.

Soll die Ukraine mit Kriegsgerät unterstützt werden? Soll der Aggressor mit Sanktionen zum Einlenken bewegt werden? Wie groß ist die Gefahr der Eskalation, wie groß die Gefahr einer allgemeinen Aufrüstung? Wobei: in Friedenszeiten regt sich auch niemand über die boomende Waffenindustrie auf. Oder solle  die Angegriffenen sich einfach ruhig verhalten, sich überrollen und unterwerfen lassen und die unvermeidlichen Randerscheinungen wie Willkür, Mord, Massenvergewaltigung und Folter über sich ergehen lassen?

Egal, welche Meinung man vertritt: Ratschläge von außen an die Betroffenen werden leicht zynisch, weil oft von Eigennutz getragen.

Aber ich wollte gar nicht über den Krieg reden. Eigentlich möchte ich über den Frieden reden.

„Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ sagt Jesus im Evangelium und so hören wir es in jedem Gottesdienst. Abertausende Male gehört habe ich es, und mir nie was Besonderes dabei gedacht. Friede, na klar, wer will schon Krieg?

Wir geben uns als Zeichen des Friedens die Hand, oder wir nicken uns freundlich zu, und am Schluss des Gottesdienstes werden wir mit „Geht hin in Frieden“ entlassen – und das war´s dann?

Aber Friede ist nicht der Zustand ohne Krieg, ohne offene Feindschaft. Friede ist doch viel mehr und Jesus meint mit seinem Frieden auch viel mehr. Was sollten sonst diese eigenartigen Worte vom „Frieden, den die Welt nicht gibt“, bedeuten.

Genauso, wie Krieg und Feindschaft nicht von selbst passiert, sondern aktiv gemacht wird, genau so passiert Friede nicht von selbst, sondern muss aktiv gemacht werden.

Wir hier werden den Krieg in der Ukraine nicht beenden können, genauso wenig wie die Kriege in Syrien, in Äthiopien, in Mali, im Sudan, in Nigeria, in Palästina, im Irak – um nur einige der gerade aktuellen zu nennen.

Was wir können ist, bei uns zu beginnen. Umdenken zu lernen und zu verstehen. Wir sind getrimmt, konditioniert auf Erfolg, und Erfolg haben heißt, dass für uns am Ende mehr herauskommen muss als wir hineinstecken. Dass es bei dieser Rechnung immer auch Verlierer geben muss, das wird einfach hingenommen.

Erfolg haben im Sinn Jesu ist anders. Erfolg im Sinn Jesu heißt nicht, Gewinn für sich selber, sondern Gewinn für alle machen.

Der Friede, von dem Jesus spricht, der heißt Leben in Fülle, Leben in Fülle für alle, für jeden einzelnen Menschen.

Auch wenn die Versuche, diesen Frieden wahr zu machen, scheitern, so bleibt im Blick auf Jesus die Pflicht, immer wieder aufs Neue ihm nachzueifern, in meiner Umgebung, in meinem Umfeld, in meiner Familie, dort, wo ich Einfluss habe.

Machen können wir Menschen diesen Frieden nicht.

Aber arbeiten daran können wir. Und wir können darum beten.

Rudolf Bittmann
Diakon