Türen sind Orte der Unterscheidung

Liebe Geschwister im Glauben, 

die heutigen Textstellen der Bibel haben es in sich.
Drei Aspekte aus dem Evangelium werde ich in meinen Predigtgedanken heute aufgreifen:

  1. Die Letzten und die Ersten
  2. Die enge Türe
  3. Die verschlossene Türe

Ad 1)

Beginnen werde ich beim Ende der heutigen Evangelien-Stelle: „Letzte werden Erste sein“. Das widerspricht ganz grundlegend unserer Alltags-Logik. Gerade bei Konzerten habe auch ich mich schon stundenlang vorher angestellt, um nach den Warteschlangen vor den engen Eingangskontrollstellen einen der begehrten First-Row-Plätze – also ganz vorne, erste Reihe zu ergattern. Dort gilt: Die Ersten werden die Ersten sein.

 Erlebnisorientierter Ansatz
Mit einer Gruppe aus Firmlingen habe ich das bei einer Radrundfahrt durchs Dekanat einmal umgedreht. Da waren Jugendliche dabei mit Rennrädern und solche, die nur selten ihr Fahrrad aus der Garage hervorgeholt haben, sportlich Durchtrainierte und solche, denen das Hüftgold unverkennbar das Vorankommen schwer gemacht hat. Von Pfarre zu Pfarre sind wir im sehr hügeligen Dekanat Gaspoltshofen geradelt, von Kirche zu Kirche und haben jeweils eine kurze Andacht gehalten. Bei einer Etappe habe ich die heutige Bibelstelle vorgelesen und dann verfügt, dass wir die Reihenfolge der Ankunft zu diesem Punkt für die Weiterfahrt auf den Kopf stellen werden. Bei der nächsten Haltstelle haben wir uns dann darüber ausgetauscht: über die Antreiber unter uns, über das Zusammenwarten und die Rücksichtnahme aufeinander und den Respekt vor der individuellen Leistungsfähigkeit und den Begrenzungen und auch darüber, was Jesus damit wohl gemeint haben könnte. Deutlich wurde, dass Gottes Handeln nicht in menschlichen Maßstäben geschieht. Gerade diese Übung öffnet den Gesprächsraum ganz weit, weil jede*r auf seine oder ihre Art davon betroffen ist. Probieren Sie das gerne auch mal in einer Gruppe aus ?.

 Ad 2)

Wozu uns Jesus auffordert im Hinblick auf das Ende der Zeiten, dass ist: nicht lasch zu werden, uns nicht auszuruhen auf bereits vermeintlich erreichten Verdiensten. Christsein, das heißt nicht: ich habe eh schon so viel geleistet – mein Guthabenkonto ist gut gefüllt. Christsein ist eine ständige und bleibende Herausforderung, um durch das enge Tor zu kommen, von dem Jesus spricht. „Bemüht euch mit allen Kräften“ (Lk 13,24a) – das genaue WIE wird hier nicht weiter ausgeführt, aber es lässt sich aus dem Leben Jesu und seinen Gleichnissen ableiten, aus den Werken der Barmherzigkeit, aus den Anweisungen z.B. der Bergpredigt.


Breite Tore und enge Türen
Nun ist es so, das habe ich nachgeschlagen, dass bei den breiten Stadttoren die zur Zeit Jesu und bis ins Mittelalter tagsüber offen war, für die spät – also nach Torschluss – kommenden Händler oder Heimkehrenden es nur mehr eine kleine Nebentüre (an der Wohl auch die Identität kontrolliert wurde) gab. Wenn das breite Tor verschlossen war, da half auch kein Klopfen mehr oder ein „Sesam öffne dich“ oder sonstige magische Worte. Wenn die Stunde des Torschlusses erreicht war, dann war hier für diesen Abend und diese Nacht zu. Nur mehr der kleine Nebeneingang – eine Schlupfpforte – blieb übrig und es ist nicht gewiss, dass alle durchgekommen sind.
Keine elitäre Gruppe
Jesus, der von sich selber sagt, dass er die Tür zum Leben ist (vgl. Johannes 10,7-10), ist es aus meiner Sicht aber auch nicht um ein elitäres Grüppchen gegangen – eine kleine Schar von ultramotivierten Christ*innen, einen exklusiven Kreis derer, die alles richtig machen, um am Ende dann Erlösung zu finden und das Leben in Fülle zu haben. Sondern es ging ihm darum, zu mahnen, dass wir uns nicht selbstzufrieden in Couch sinken lassen sollen, nicht überheblich auf andere herabblicken sollen, nicht schon glauben, alles erreicht zu haben. Erinnert mich auch an das Bild mit dem Kamel und dem Nadelöhr das sich damit beschäftigt ob ein Reicher gerettet werden kann (Man findet diese Bild in drei der vier Evangelien (Mk 10,25, Mt 19,24, Lk 18,25).
Aus allen vier Himmelsrichtungen
Und die, die durch die Türe kommen, sie kommen aus allen vier Himmelsrichtungen, das deutet auf das umfangreiche Einzugsgebiet hin. Schon in der Lesung aus dem Buch Jesaja haben wir gehört, dass Gott Menschen aus allen Nationen erreichen will, bis an die entlegensten Enden der Erde (Jes, 66,20) und dass Gott sich ihnen zeigen wird.
Und in der Vision in der Offenbarung des Johannes (einige Passagen daraus sind am Fresko hinter dem Altar unserer Pfarrkirche abgebildet) heißt es, dass es unzählbar viele sind:
„Danach sah ich: eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen in weißen Gewändern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Händen. Sie riefen mit lauter Stimme: Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm.“ (Offenbarung 7,9-10).
Die Vielen kommen durch und dennoch ist die die Pforte eng. Wie kann das sein? *
Vielleicht will Jesus uns damit konfrontieren, dass wir so, wie wir handeln oder was wir unterlassen auch scheitern könnten. Alleine die Möglichkeit vor Augen geführt zu bekommen, dass es nicht reichen könnte, rüttelt schon auf und steht für mich nicht im Gegensatz zu bedingungslosen Barmherzigkeit Gottes. Schon in der Bibelstelle mit dem Nadelöhr heißt es auf die Frage „Wer kann dann gerettet werden?: Für Gott ist nichts unmöglich (vgl. Mt 19,26; Für Gott ist nichts unmöglich schon/auch in vgl. Lk 1,36)

 Ad 3)**

Türen sind Orte der Unterscheidung – zwischen dem Drinnen und dem Draußen.

Mit Türen machen wir im Alltag unterschiedliche Erfahrungen. Da gibt es Eingangs – und Ausganstüren, Haustüren, Geschäftstüren, Portale, Geheimtüren, Drehtüren und Falltüren. Es gibt Tage der offenen Türen und es gibt Türen die ein für alle mal verschlossen bleiben:
Mir sind verschlossene Türen im unspektakulären Sinn auch schon mehrfach passiert: Gerade noch rechtzeitig auf den Bahnsteig gehastet, der Zug steht noch in der Station. Die Türen schließen sich. Meine Hand geht an den Griff an der Zugtüre, aber nichts geht mehr auf und langsam setzt sich abfahrend der Zug in Bewegung. „Zu spät“ – so tönt es uns auch aus dem Evangelium entgegen. Wo begegnet uns das noch in unserem Leben?
Die Türe ist ins Schloss gefallen
Es ist belastend, dass wir manche Fehler nicht wieder rückgängig machen können, dass mache Entschuldigungen nicht mehr ankommen, dass manches Aufschieben dazu geführt hat, dass eine Türe ins Schloss gefallen ist und uns nicht mehr einlässt – zum Beispiel weil eine Lebenszeit zu Ende gegangen ist. Und wir hatten permanent den Modus „im Moment zu viel um die Ohren“ gelebt oder es war uns unangenehm, wir haben manchmal Menschen auf ein Abstellgleis geschoben, jetzt hat sich leider das mögliche Zeitfenster geschlossen und wir müssen nun feststellen: „rien ne va plus“ – nichts geht mehr. Kann sein, dass uns Menschen dann nicht mehr hören wollen oder uns nicht mehr erkennen und dass eine Beziehung abgebrochen ist. Wenn die Türe zu bleibt, dann hat das nicht selten eine lange Vorgeschichte.
Impuls zum persönlichen Handeln
Wie können wir das „bemüht euch nach allen Kräften“ hier verstehen? Ich habe für mich beschlossen in der kommenden Woche eine dieser unangenehmen, aufgeschobenen Begegnungen nachzuholen, mich ganz bewusst darauf einzulassen und mich auch mit der von mir verschuldeten Verspätung auseinanderzusetzen. Vielleicht gibt es in Ihrem Leben ja auch so eine Gelegenheit, die schon viel zu lange darauf wartet, angegangen zu werden, wo die Türe noch zumindest einen Spalt geöffnet ist.   

So ermutige ich uns – nutzen wir die Chance, solange die Türe noch offen steht. Amen.

Christoph Burgstaller
Pastoralassistent