Unkraut unterm Weizen

Gekonnt bringt Jesus Begebenheiten des Alltags seiner Zeit in die Gespräche mit den Zuhörenden ein. Er knüpft an den ganz konkreten Erfahrungen an, die seinen Mitmenschen bekannt sind – er deutet sie und bringt sie in Verbindung mit dem Wirken Gottes in der Welt und mit dem zukünftigen Reich Gottes, das uns verheißen ist.

Zu MT 13,24-43 (Kurzversion 13, 24-30)

 

In drei Schritten werde ich mich dem heutigen Evangelium nähern:

  1. Einordnung in den Kontext des Matthäusevangeliums und Hintergründe zum Unkraut
  2. Die Bedeutung, die Jesus selber dem Gleichnis/den Gleichnissen beimisst
  3. Die naheliegenden Konsequenzen für unser Handeln heute

 

(1) Zuerst: Die Einordnung.

Wir befinden uns im13. Kapitel des Matthäusevangeliums. Jesus zieht mit den Jüngern durch Galiläa und kommt an den See Genezareth. Er spricht in Gleichnissen zu einer nicht näher definierten aber großen Menschenmenge – von einem Boot aus. Den genauen Ort kennen wir nicht.

Letzten Sonntag haben wir das Gleichnis vom Sämann gehört. An dieses schließen sich sechs weitere Gleichnisse an – darunter die drei, die in der Langform des heutigen Evangeliums vorkommen (Unkraut unterm Weizen, Senfkorn, Sauerteig). Alle beginnen mit der Formel: „Mit dem Himmelreich ist es wie…“. Im Kleinen, Unscheinbaren wird das Wirken Gottes erkennbar. Nicht „subito“ – also plötzlich – kommt es, sondern es zeitigt sich, dauert seine Zeit. Ungeduld bewirkt nichts, genauso wenig wie Verzweiflung oder übertriebener Aktivismus.

Beim Unkraut, das der Feind sät, handelt es sich, wie ich einem Kommentar des deutschen Bibelwerkes entnommen habe, um den Taumel-Lolch der als junge Pflanze dem Weizen ähnelt, erst im späteren Wachstumsstadium können die beiden sicher voneinander unterschieden werden, wenngleich ihre Wurzeln dann schon so ineinander verwachsen sind, dass das Ausreißen des einen die Beschädigung des Anderen mit sich brächte. Das bedeutet den Verlust der Ernte. Also besser wachsen lassen. Im Erntestadium ist die Unterscheidung besser: Die Ähren des reifen Weizens neigen sich, während der Lolch aufrecht steht. Die Trennung ist wichtig, weil der Lolch für den Menschen giftig ist und Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, zum Erbrechen bis zum Tod durch Atemlähmung führen konnte. Heute ist er kaum noch vorzufinden, wie ich einer botanischen Quelle entnommen habe.

 

(2) Zur Bedeutung, die Jesus dem selber gibt:

Jesus warnt davor, zu übereifrig zu sein und irrtümlich Gutes zu zerstören. Die Unterscheidung und damit die finale Trennung wird am Ende der Zeit beim Gericht stattfinden und steht allein Gott zu. Das Himmelreich wächst aus eigener Kraft. Es ist – und das kann uns entlasten – nicht von uns alleine abhängig.

Aus dem kleinen unbedeutenden Senfkorn (das einen Durchmesser von weniger als einem Millimeter hat) – entsteht ein beeindruckendes Gewächs. Aus dem „Was kann ich denn schon tun“ wird im Laufe der Zeit beeindruckende Handlungsfähigkeit, wenn wir uns von Gottesvertrauen leiten lassen.

Der Sauerteig der unscheinbar seine Wirkung entfaltet (3 Sea Mehl führten zu ca. 40 Kilo Brot, genug also um über 100 Menschen satt zu machen), bekommt beeindruckende Stärke. Gerade die Gliederungen der Katholischen Aktion: Jungschar, Jugend, Männer- und Frauenbewegung, Arbeiter*innenbewegung … haben dieses Bild gerne verwendet, um ihren Gestaltunganspruch in der Gesellschaft damit zum Ausdruck zu bringe. Gott ist dabei die treibende Kraft, die alles durchdringt.

Jesus deutet das Gleichnis vom Unkraut auf die Anfrage seiner Jünger exklusiv für sie. Die Menschenmenge ist da nicht mehr dabei. Übersicht zu den Bildern und ihrer allegorischen Deutung:

  1. 24b der Sämann V. 37 der Menschensohn/Christus
  2. 24d der Acker V. 38a die Welt
  3. 24c der gute Same V. 38bjene, die das Wort annehmen
  4. 25c das Unkraut/Taumellolch V. 38c jene, die das Wort nicht annehmen/ablehnen
  5. 25d der Feind V. 39a der Verführer/der Teufel
  6. 30b die Ernte V. 39b Endgericht/das Ende der Welt
  7. 30c die Schnitter V. 39b die Engel

V 30 d „sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen“

  1. 40-42 der Menschensohn als auferstandener Christus
  2. 30e „den Weizen aber bringt in meine Scheune“ V. 43a die Gerechte, die im Reich des Vaters eingehen

(3) Zu den Konsequenzen für unser Handeln:

(a) Jesus selbst rät vom vorschnellen Handeln und von blindem Aktivismus ab. Die Selektion in „gut“ und „böse“ ist nicht unsere Sache, sondern bleibt letztlich bei Gott. Dann, wenn es Zeit ist, und wir kennen weder den Tag noch die Stunde. Wir sollen uns nicht zu Richter*innen über andere aufschwingen, auch wenn wir das manchmal allzu gerne täten.

(b) Es ist nicht immer der erste Eindruck, der zählt, der kann auch täuschen. Ich lese da auch den Aufruf zur Gelassenheit heraus, da wir nur fragmentarisch erkennen können, was wirklich ist. Und da ist die Tatsache, dass Unkraut in unserem Leben dazugehört. Es gab und gibt nicht das perfekte Weizenfeld – schon gar nicht zur Zeit Jesu. Mit diesem Umstand werden wir leben müssen.

(3) Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard hat den Satz geprägt, den ich für immer wieder bedenkenswert halte: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“ Wir dürfen und müssen für unsere eigenen Entscheidungen und unser eigenes Leben Verantwortung übernehmen. Manches was sich zu Beginn noch als Bürde herausstellt, kann zum Ansporn oder zur Lern- und Wachstumsgelegenheit werde. Und letztlich werden wir erst am Ende der Tage, wenn nichts mehr geht, endgültig einsehen, wozu etwas gedient hat. Erst an diesem Endpunkt in der Konfrontation mit der Gesamtheit unseres Lebens – vor Gott – werden wir feststellen, wo wir angekommen sind. Und wir werden sehen welche Saat in uns überwiegt hat. Jesus will uns das Reich Gottes schmackhaft machen, es ist unsere freie Entscheidung, ob wir der Einladung nachkommen. Er stößt uns an, die Komfortzone zu verlassen und uns einzulassen auf die Herausforderung des christlichen Glaubens im hier und heute. So, dass wir wachsen wie das Senfkorn und in unserer Gesellschaft zum unaufhaltsamen Sauerteig werden für ein achtsames, respektvolles und gerechtes Miteinander.

 

Verwendete Quelle:4 (bibelwerk.de)

Christoph Burgstaller