Gott und Kaiser

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

unsere Zeit wird manchmal als Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten bezeichnet, die ich aber als Entweder-Oder-Zeit bezeichnen möchte. Sie unterscheidet sich von der unweiten Vergangenheit, in der vieles vorgegeben wurde, und zwingt jede und jeden von uns zu kleineren oder größeren Entscheidungen.

Bereits im Kindesalter wird überlegt: Soll ich das Kind in den Klavierunterricht oder zum Ballett schicken, zum Fußball oder zum Tennis? Junge Erwachse stehen vor der Wahl: Soll ich einen Beruf ergreifen, der mir Freude macht oder eher einen, in dem ich möglichst viel Geld verdiene? Sollen dabei auch gewisse moralische Aspekte bedacht werden; Fairness, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, oder spielt das keine Rolle, solange die Kasse stimmt? Auch im privaten, alltäglichen Leben gibt es die Entscheidungsnotwendigkeit: Engagiere ich mich ehrenamtlich und bringe ich mich mit meinen Talenten in die Gesellschaft ein, oder konsumiere ich das, was die anderen zur Verfügung stellen?

Viele dieser Entscheidungen werden aus einer Grundhaltung getroffen, die sich entweder auf die Gemeinschaft oder auf den eigenen Vorteil ausrichtet. Und natürlich ist damit auch die Frage nach Gott verbunden, der zu unserem Leben gehört und als eine Wahlmöglichkeit erscheint. Wie viel Platz bekommt er zwischen Ballett, Tennis, Urlaub und Arbeit?

Genau mit diesem Thema beschäftigt sich das heutige Evangelium. Die Pharisäer wollen Jesus eine Frage stellen. Aber nicht, weil sie an ihm interessiert sind und nicht, weil sie ihren Glauben vertiefen wollen, sondern um sich und ihre Ablehnung ihm gegenüber zu bestätigen und dadurch in ihrem heuchlerischen Verhalten zu verharren.

Kaiser oder Gott, faulenzen oder soziales Engagement, Nachbarschaftshilfe oder Fernsehabend, ehrenamtliche Pfarrtätigkeit oder gemütlicher Spaziergang in der Innenstadt? Entweder-Oder-Gesellschaft?

Jesus denkt nicht in der Kategorie Entweder – Oder. Jesus versucht zu verbinden, was sich verbinden lässt. Jesus denkt inklusiv. Und auch wenn das Wort Inklusion in unserer Zeit vor allem auf die Integration aller Menschen angewendet wird, kann es im Zusammenhang mit Jesus viel weiter gedacht werden. Nicht Entweder – Oder, sondern UND. Gott und Staat, Zeit für mich und Zeit für die Anderen, Pfarrengagement und Sport, Kultur und Freundschaften, Gemeinschaftsspiel und Bibelrunde, Stadtbummel und Besuch des Gottesdienstes. Für Jesus ist die Inklusion – das UND sein Lebensmotto.

Um inklusiv, verbindend zu leben, muss man auf einige Werte setzen, die derzeit in unserer Gesellschaft nicht automatisch eine Mehrheit finden würden.  Zuerst geht es um den Glauben, dass ich von Gott geliebt, erwählt und berufen bin, als Gottes Kind zu leben. Damit verbunden ist die Haltung, die Welt als einen Raum der Begegnung mit Gott und mit den Menschen zu sehen. Gott liebt die Welt, Gott liebt das Leben und er liebt mich, damit ich mich auf ihn und auf die Welt hin öffne.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,‘
in der Kirche des Priesterseminars gibt es einen Altar, bei dem die Altarplatte auf einem großen, massiven UND aufliegt. Dieses UND steht für Gott und Mensch, Himmel und Erde, Glaube und Leben, ich und du. Der Künstler Josef Bauer hat das Wort gewählt, weil es für das Verbindende und Nicht-Ausschließende steht. Dieses Wort steht aber auch für die Anfrage an uns: UND DU – wie gestaltest Du Dein Leben? UND DU – hast Du Platz für Dich, Deine Hobbys und Gott? UND DU – gehst Du gestärkt durch das Wort Gottes und das Brot des Lebens in den Alltag, um dort die Liebe Gottes zu verkünden und zu leben?

Ich wünsche uns allen, dass wir aus der Haltung Jesu, die Wirklichkeiten miteinander verbindet, lernen. Ich wünsche uns, dass wir als inklusive Menschen weder die anderen noch uns selbst beschneiden und ausschließen, sondern als Kinder Gottes in der Welt leben und dem irdischen und dem göttlichen Leben viel Platz in uns geben.

Slawomir Dadas
Regens