Gotteserfahrungen verändern grundlegend

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

es gibt Erfahrungen und Begegnungen, die unser Leben grundlegend verändern.
Für einige von Ihnen war das hoffentlich die Liebe Ihres Lebens. Eine Person, die auf Sie einen solchen Einfluss hatte, dass Sie bereit waren, auf das eine oder auf das andere zu verzichten, die eigene Familie, den Freundeskreis, den bisherigen Wohnort zu verlassen, ein neues Leben zu beginnen.

Für andere war es vielleicht die Bedrohung der Existenz: durch den Krieg in Jugoslawien oder jetzt in der Ukraine, durch den Verlust der Arbeit oder den Verlust eines Menschen, wodurch sie gezwungen waren, das Leben umzustellen, neu zu ordnen.

Man muss ein wenig aus der bisherigen Bahn geworfen werden, um sich wesentlich zu verändern, um neue Wege zu suchen. Dort, wo die Existenz bedroht wird, oder wo starke Gefühle im Spiel sind, dort beginnt der Mensch, seine Haltung zu hinterfragen und entscheidet sich manchmal für eine neue Lebensweise.

Wie geschieht aber eine Veränderung im Glauben? Was braucht es im Glauben, dass ein Mensch von einem passiven Konsumenten der Glaubenstraditionen und Bräuche zu einem lebendigen Zeugen Gottes wird? Was braucht es, dass jemand sich nicht nur als Christ versteht, weil er getauft wurde und er das Christentum als einen Teil der Gesellschaft anerkennt und für wertvoll hält, sondern dass er zum Bekenner wird, zum Menschen, der überzeugend in der Welt die Gottes- und die Nächstenliebe lebt, nicht nur an Sonn- und Feiertagen?

Die Antwort auf diese Fragen scheint eher einfach zu sein. Die bewusste Ausrichtung des Lebens auf Gott geschieht dort, wo ich ihn erfahre, wo ich erkenne, dass ER in meinem Leben wirkt, dass er mit mir geht. Es braucht dazu keine besonderen Erscheinungsorte, es braucht keine Angstpropheten, sondern die Erfahrung, dass Gott mit seiner vergebenden und aufrichtenden Liebe immer bei mir ist. Und wie schaut das konkret aus?

Dort, wo ich unerklärlicherweise auf einmal Kraft zum Neubeginn bekomme, wo niemand einen Neubeginn für möglich gehalten hat, dort wirkt Gott.
Dort, wo in meinem Leben unerwartet Trost und Freude entstehen, wo menschlich gesehen nur Trauer und Verzweiflung herrschen, dort ist Gott bei mir.
Dort, wo ich in einer nicht selten selbstbezogenen und ausgrenzenden Gesellschaft zum Teilen und zum Integrieren bereit bin, wo ich gegen alle Trends und politischen Zurufe die Grenzen des Egoismus durchbreche und mich dem notleidenden Fremden zuwende, dort wirkt Gott durch mich.
Dort, wo er mir beim Gebet, in der Eucharistie seine Nähe erspüren lässt, dort ist Gott mit mir.

Wir machen die Erfahrung, dass es nicht reicht, getauft und gefirmt zu sein, dass es nicht reicht, ein paar Jahre zu ministrieren oder bei der Jungschar dabei gewesen zu sein, dass es nicht reicht, beim Flohmarkt, oder beim Pfarrcafe zu helfen, im Kirchenchor zu singen und eine Tischmutter gewesen zu sein, um das Leben mit ganzer Ernsthaftigkeit auf Gott auszurichten.
Es braucht die Gotteserfahrung, die Überzeugung, dass es IHN in meinem Leben gibt, dass er mit mir geht und mich begleitet.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die Geschichte von Abraham und Isaak, die Verklärung auf dem Berg Tabor vor den Jüngern waren besondere Gotteserfahrungen, die sowohl Abraham als auch die Apostel in ihrem Glauben gestärkt haben. Vielleicht musste Abraham für sich definieren, dass Gott auch über dem so lange erwarteten und geliebten Sohn Isaak steht, um einst als Vater des Glaubens genannt zu werden. Vielleicht mussten die Apostel Jesus vor dessen Auslieferung und Kreuzigung in seiner Gottheit erfahren, um an seinem Tod nicht zu verzweifeln, sondern als seine Werkzeuge in der Welt wirken zu können. Alle sind nach ihrer Gotteserfahrung zu wahren Zeugen des Glaubens geworden.

Diese dramatische Darstellung der vermeintlichen Probe einerseits und die Wahrnehmung der Größe Gottes andererseits zeigen uns, dass Gott sich auf vielfältige Weise erfahren lässt. Wir müssen uns nur öffnen für sein Wirken in unserem Leben.

Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, aus der Begegnung mit Gott unser Leben zu verändern und zu gestalten. Ich wünsche uns, dass wir als wahre Zeuginnen und Zeugen der Botschaft Jesu in der Welt leben: solidarisch mit den Ärmsten, kraftvoll gegen jede Art des Egoismus und der Ausbeutung, gestärkt durch die Erfahrung, dass Gott uns darin stärkt und begleitet.

Slawomir Dadas
Regens

2 Gedanken zu „Gotteserfahrungen verändern grundlegend

  1. Predigt über Gotteserfahrung
    Die Predigt war sehr gut und verständlich , und es reicht vielleicht wirklich nicht aus getauft,gefirmt
    und in der Pfarre mitzuhelfen, um ein guter Christ zu sein. Dennoch müsste man in der heutigen Zeit schon froh sein ,wenn es vielmehr von solchen Menschen geben würde .
    Allerdings glaube ich nicht,dass Menschen in Kriegen und extrem schwierigen Zeiten
    Trost finden ,ich denke eher sie klagen Gott an ,ist er doch allmächtig ,gütig und barmherzig.MIr geht es jedenfalls so,und man möchte immer mehr zum Zweifler werden.

  2. Vielen herzlichen Dank, es ist eine stärkende, bereichernde Predigt, sie sehr gut verständlich ist. Großartig.

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