Hirtendienst im Sinne von Jesu

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
in den letzten Monaten wurde auch die Pfarre Vogelweide von der Frage nicht verschont, wie in der Zukunft die Leitung der Pfarrgemeinde ausschauen wird.

Die Überlegungen über ein Seelsorgeteam haben zu gewissen Vorentscheidungen geführt, über die sich jede und jeder von Ihnen ein Urteil bilden kann. Ich wünsche Ihnen ein gutes Team, aber als Theologe frage ich mich, nach welchen Kriterien Menschen ausgesucht werden, um an der Leitung – also an dem Hirtendienst –  der Kirche teilzuhaben? Wer sind die Personen, die für geeignet gehalten werden, für konkrete Aufgaben in der Pfarrgemeinde, aber auch dann in der Pfarre und in der Diözese? Welche Wege führen zu einer Leitung und zur Verantwortung im kirchlichen Dienst? Einige der Varianten möchte ich jetzt benennen und sie dann mit dem heutigen Evangelium vergleichen.

Ein altes und leidiges Thema ist gerade in der Kirche das Geschlechterkriterium. Ein Mann erscheint einigen automatisch geeigneter als eine Frau. Leider hat dieses Denken sehr lange die Kirche beherrscht und die Auswirkungen davon spüren wir bis heute, was aber dazu führt, dass in einigen Kreisen – aus Wut, Frust oder aus Protest – die gegensätzliche Haltung entsteht: Frauen an die Macht, mit der Begründung: weil Frauen es bisher nicht machen durften, dann sollten sie es jetzt tun.

Ein weiteres Kriterium für die Leitung basiert auf der Ästhetik.
Jugend, Schönheit, modisches Erscheinen wirken nicht selten vertrauensbildend und vermitteln das Gefühl der Eignung einer Person für die Leitung. Sie sind auch mit dem berechtigten Wunsch verbunden, dass es noch lange gut weiter geht. Auch die Selbstdarstellung, der Auftritt eines Menschen, die Redegewandtheit rechne ich zu den ästhetischen Kriterien, die zuerst nicht auf die Kompetenz zielen, sondern auf die Wahrnehmung des äußeren Bildes einer Person, die aber nicht selten entscheidend ist bei einer Wahl.

Manchmal werden auch die Entscheidungen aufgrund des Bekanntschaftsgrades getroffen.
Wenn jemand öfters gesehen wird und dadurch bekannt ist, wenn er oder sie eine Vergangenheit in einer Jungschar- oder Jugendgruppe vorweisen kann, dann kann sie oder er automatisch mit mehr Zuspruch rechnen. Die Bekanntheit öffnet einigen die Tore zu Leitungspositionen, die vor den neuen, gerade neuzugezogenen Menschen eher verschlossen bleiben, auch wenn sie für die eine oder die andere Aufgabe auch geeignet wären.

Man könnte noch einige Kriterien aufzählen, bei denen die Leistung, die Herkunft, der Titel, der Besitz, der Gehorsam in den Blick genommen werden, aber ich möchte jetzt zum Evangelium kommen und dort nach den wahren Kriterien des Hirtendienstes suchen.

Das Bild im Evangelium stützt sich auf die Erfahrung der Zeit Jesu, die von zwei Arten der Hirten ausgeht: von Eigentümern und von Angestellten. Der Unterschied zwischen den beiden liegt nicht im Verdienst und nicht in der Bekanntschaft, sondern schlicht und einfach in der Haltung der Hingabe. Als guter Hirt wird nur jemand bezeichnet, der bereit ist, das Leben hinzugeben für die Herde. Weder Ästhetik noch Geschlecht, sondern ausschließlich das Herz für die Aufgabe entscheidet über die Qualität eines Hirten, einer Hirtin. Jesus geht es um die Bereitschaft der leitenden Personen, vor den Gefahren nicht wegzulaufen, in allen Lebenslagen an das Wohl der Herde zu denken und dafür zu leben.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wenn wir in der Kirche von Hirten und Hirtinnen als vertrauensvollen Leitungspersonen sprechen, dann sollten wir unseren Blick nicht auf das Geschlecht, auf die Bekanntheit, auf die Jugend oder auf die Ideologie richten, sondern die Personen an ihren Taten, an ihrer Bereitschaft zur Hingabe messen.

Will eine Person den Hirtendienst ausüben, weil sie es für sich, für das eigene Selbstwertgefühl braucht, dann ist sie dazu nicht geeignet.
Will eine Person den Hirtendienst ausüben, um eine Bühne zur Selbstdarstellung zu haben, oder die eigenen Ideen durchzusetzen, dann ist sie dazu nicht geeignet.
Will eine Person den Hirtendienst ausüben, weil sie bekannt ist und will, dass das Bisherige gut weiter geht, dann ist sie ebenfalls nicht wirklich dafür geeignet.

Denn im Hirtendienst geht es nicht um das Eigenwohl und nicht um die Weitergabe der Tradition, sondern um den Auftrag, die Gemeinde auf Gott hin auszurichten, sie um den Altar Gottes zusammenzuführen, damit sie davon Kraft schöpft und sich nicht zerstreut und nicht verirrt.

Beim Hirtendienst geht es immer um den Blick auf den Willen Gottes, der einen zentralen Ort in der Gemeinde haben sollte, es geht darum, eine Gemeinschaft der Liebenden zu bilden, in der nicht die Eigenehre, sondern die Bedürfnisse der Gemeinde im Mittelpunkt stehen.

Ich wünsche uns allen, dass wir bereit sind, aus der Haltung des Hirtendienstes Jesu zu lernen und zu leben. Ich wünsche uns, dass wir bereit sind, auch in der Kirche, in der Pfarrgemeinde, die Verantwortung zu übernehmen, nicht um Macht auszuüben, nicht um sich selbst zu bestätigen, sondern um Gott in der Gemeinde zu dienen. Ich wünsche uns, dass wir als Hirtinnen und Hirten leben, also als Menschen, die Aufgaben zur Ehre Gottes und zum Wachstum seiner Gemeinde erfüllen.

Slawomir Dadas
Regens

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