Gibt es einen lieben Gott?

Oder machen wir es uns zu leicht damit. Ist Gott einer, der uns genau auf die Finger sieht und jeden Fehltritt bestraft? Wie stehen wir zu Gott, was ist unser Bild von Gott? Mit diesen Fragen beschäftigte sich Diakon Rudi Bittmann in seiner Predigt.

Predigt zum Ausdrucken

Vor etwa einem Jahr machte ein Pfarrer Schlagzeilen mit der Aussage:
es gibt keinen lieben Gott.
Wenn das so ist, und wenn wir dabei bleiben, dass es Gott gibt, liegt der Schluss nahe, dass es  dann eben den bösen Gott geben muss. Den Gott, der tatsächlich das sittenlose Sextouristenland Thailand mit einem Tsunami, die Bordellstadt New Orleans mit einem verheerenden Wirbelsturm und die VooDoo-Zauberer Haitis mit einem katastrophalen Erdbeben bestraft.
Ich selber habe den Gott, der mir als Kind gezeigt wurde, tatsächlich nicht als sonderlich lieb erlebt. Da wurde uns ein Gott vorgestellt, der einen immer und überall sieht, beobachtet, der die kleinste Abweichung vom rechten Weg registriert, selbst, wenn da noch gar keine Tat, sondern erst ein ungewollter Gedankenblitz war. Jede Sünde mache Gott traurig, hieß es, mit jeder Sünde zerstöre man sich ein bisschen selbst. Und dabei gab ja kaum einen Augenblick, in dem man nicht zu sündigen glaubte, sich nicht sündig und schlecht fühlte – und das alles als Kind von 8 oder 10 oder 12 Jahren. Von der Liebe Gottes wurde geredet, zu spüren war sie nicht. Die Liebe Gottes war denen vorbehalten, die tadellos lebten – angeblich gab es die ja auch.
Ich habe lange gebraucht, um dieses Gottesbild zu überwinden und darum lasse ich es mir heute auch nicht mehr einreden, von niemandem. Wenn Gott wirklich so wäre, dann würde ich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen.

Andererseits, im Bild vom lieben Gott liegt auch eine große Gefahr. Machen wir den lieben Gott nicht allzu leicht zum lieblichen Gott, zum netten Gott, der ohnehin alles verzeiht, über alles hinwegsieht und der daher nicht ganz ernst zu nehmen ist, oder lassen wir ihn gar zum be-lieb-igen Gott verkommen.
Was ist er nun? Der strenge, harte, rächende Richter oder der, der aus lauter Liebe über alle unsere Fehler hinweg sieht?
Das heutige Evangelium kann uns weiter helfen.

Mit der Rache- und Straftheorie, die etwa Katastrophen erklären soll, räumt Jesus jedenfalls gründlich auf. Diese Ereignisse sind keine Strafe für irgendwelche Sünden. Wenn es danach ginge, sagt Jesus den Jüngern, dann müsste euch allen dasselbe passieren. Dann müsste uns allen dasselbe passieren – soviel besser als die Jünger damals sind wir ja wahrscheinlich auch nicht.

Aber Jesus stellt uns auch ein Gleichnis vor, ein Gleichnis mit drei Handelnden: der Feigenbaum, der Besitzer und der Gärtner.
Der Feigenbaum, der steht da schon jahrelang mitten im Weingarten. Und tut nichts, außer da sein, den kostbaren Weinstöcken das Wasser und die Nährstoffe entziehen und keine oder kaum Frucht zu bringen.  Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass damit wir gemeint sind.
Der Besitzer des Weingartens, Gott, reagiert hart mit der Anweisung an den Gärtner, den nutzlosen Feigenbaum umzuhauen. Für einen bloßen Schädling ist kein Platz in seinem Garten.
Der Gärtner aber, Jesus, der will das nicht so einfach hinnehmen. Er kämpft um den Feigenbaum, er will sich abmühen mit ihm, er will den harten Boden aufbrechen, aufgraben, er will düngen, er will alles tun, dass es doch noch zu einer Umkehr kommt, dass der Baum doch beginnt, Früchte zu bringen.

So ist das mit Gott. Er verlangt schon etwas von uns. Es ist ihm nicht alles recht, was wir tun und er sagt nicht zu allem verzeihend „na, ist schon gut“. Aber er lässt uns nicht im Stich, er lässt uns nicht allein. Er sieht über unsere Fehler und Schwächen nicht hinweg, aber er ist an unserer Seite, er kämpft um uns und mit uns.
Wenn ich mich ändern will, dann habe ich seine volle Unterstützung.
Vielleicht ist er wirklich kein lieber Gott, aber er ist ein Gott, der uns ernst nimmt, und  er ist ein Gott, der uns liebt.
Und das ist doch eine sehr gute Nachricht.