Nicht Frieden, sondern Spaltung

„Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Nein, nicht Frieden, sondern Spaltung.“

Was für Töne! Ganz andere! So kennen wir Jesus gar nicht: Ganz ungewohnt und provozierend, ja schockierend! Aufs erste Hinhören scheint dieses heutige Evangelium fremd und unverständlich. Ich möchte einen Zugang versuchen.

Zunächst gilt es zu beachten: Jesus spricht diese Worte in einer todernsten Situation: Er geht seinen Weg, trotz heftigsten Widerstandes – die eigene Familie versteht ihn nicht, in seiner Heimatstadt wird er verjagt, seine Jünger wollen ihn abhalten – und seine Gegner haben schon beschlossen, ihn aus dem Weg zu räumen. Er muss seinen Weg gehen, ansonsten würde er sich selber verraten. Und er warnt: Wer sich auf meinen Weg einlässt, der muss auch mit Konsequenzen rechnen.

Und das sagt er uns heute ganz unmissverständlich, dass seine Botschaft auch Konflikte auslöst, die bis in die Familie reichen. Er sieht voraus, dass es um seinetwillen zu Auseinandersetzungen kommen wird zwischen Menschen, die im gleichen Haus wohnen, zur Konfrontation und Spaltung zwischen den nächsten Verwandten.

Vor einiger Zeit erzählte eine Frau, dass sie in ihrer Familie mit ihrem Mann zusammen den Glauben leben muss unter dem Spott der heranwachsenden Kinder. Sie sagte: Jeden Sonntag, wenn wir alle zusammen am Tisch sitzen und essen, es ist der einzige Tag in der Woche, wo wir alle zusammen sind, mein Mann und ich wir beten jedes Mal vor dem Essen ein Tischgebet. Und unsere heranwachsenden Kinder räkeln sich rum und geben ganz demonstrativ zu erkennen, was sie davon halten, nämlich Quatsch. Jedes Mal gibt es Ärger und Diskussionen bei Tisch. Und dann sagte sie: „Ich habe schon mal mit meinem Mann darüber gesprochen, ob wir nicht um des lieben Friedens willen in der Familie auf das Tischgebet verzichten sollen.“

Wenn Menschen heute hier bei uns ihren Glauben bewusst leben, in aller Schlichtheit und Unaufdringlichkeit, aber entschieden und bewusst, dann müssen sie mit Opposition rechnen. Und es ist dann nicht im Sinne Jesu, „um des lieben Friedens willen“ darauf zu verzichten, den Glauben in aller Schlichtheit zu leben. Nicht als Demonstration, nicht um dem Anderen damit eins um die Ohren zu schlagen. Wenn man das einmal so sieht, dann entdeckt man, dass es vielfältige Situationen gibt, wo Menschen ihren Glauben leben müssen in Opposition zu anderen. Da wird auf einmal Wirklichkeit, was Jesus sagt: Vater gegen Kinder oder Mutter gegen Kinder und Kinder gegen die Eltern. Wenn jemand seinen Glauben bekennt, muss er mit Opposition rechnen.

Wir haben hier bei uns so ein spießbürgerliches, sattes Christentum entwickelt, wo man so auf der allgemeinen religiösen Welle mit schwimmt. Da tut man einander nicht weh. Aber überall dort, wo Menschen entschieden ihren Glauben leben und wo sie sich zu Christus bekennen, da gibt es schnell Widerstand. Und dann gilt dieses Wort: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen.“ Und ist es nicht angesichts dieses Wortes Jesu eigentlich ein schlechtes Zeichen, wenn keine Opposition mehr spürbar wird? Kann es sein, dass wir wirklich so lau geworden sind, so wohltemperiert, weder heiß noch kalt, dass keiner mehr an unserem Christsein Anstoß nimmt?

Schwestern und Brüder!
Wer sich auf diesen Glauben einlässt (und das heißt, wer der Botschaft Jesu, ja wer IHM vertraut), der wird Ähnliches erfahren. Es wird für dieses Leben auch Ablehnung geben, Spott und Hohn, Missachtung und Gleichgültigkeit! Die stärksten menschlichen Bindungen zerreißen. Entzweiung und Zwietracht bleiben nicht aus, weil diese Botschaft eben nicht belanglos ist! Weil sie „mich“ auf Biegen und Brechen herausfordert!

Das wünsche ich uns allen: Dass wir uns voll und ganz von dieser Botschaft ergreifen, anstecken und anzünden lassen!