Jesus – der Himmelsschlüssel

predigt2„Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los, trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn.“ (Apg 7,55-58)

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

viele von Ihnen haben heute einen Schlüsselbund mit, auf dem ein, zwei oder sogar mehrere Schlüssel hängen. Ein Schlüssel, wenn man ihn nicht nur als einen Gegenstand zur Öffnung einer Tür betrachtet, bekommt eine zusätzliche Bedeutung. Er kann ein Symbol sein: z.B. für Verantwortung und Macht, weil der Schlüssel meistens auch mit einer Aufgabe verbunden ist, oder für Fürsorge und Vertrauen, weil jemand, der einen Schlüssel hat, einige Räume betreten darf, die den anderen verschlossen bleiben.

In vielen Märchen und Sagen spielen die Schlüssel eine wichtige Rolle. Manchmal müssen sie gefunden werden, um eine Tür zum Glück öffnen zu können. Manchmal werden sie zur Aufbewahrung übergeben, damit ein Geheimnis verschlossen bleibt.

Aber bevor ich Sie total in die Welt der Märchen versetze, muss ich noch ein wenig im Alltag bleiben. Ich weiß, dass der Stephanitag als zweiter Weihnachtstag ganz eng mit dem Besuch im Kreis der Familie und Freunde verbunden ist. Ich weiß, dass Sie sich noch immer über die Begegnungen und die Geschenke freuen und vielleicht noch ein wenig von der Romantik des Festes in sich tragen. Der Stephanitag wirft aber in der Liturgie die ernste Frage nach dem Schlüssel zum Himmel auf. Und der Frage möchte ich heute ein bisschen nachgehen und mit dem Erzmärtyrer der Kirche – dem Stephanus – ganz kurz Ihren Weihnachtsfrieden stören.

Denn leider gibt es in unserer Zeit immer noch Menschen, die glauben, Wächter des Himmels und des wahren Glaubens zu sein. Die extremste Form dieses Irrtums erleben wir jetzt in den arabisch-islamischen Ländern. Die Nachkommen der Urchristen, die bereits seit dem zweiten Jahrhundert nach Christus im Orient den Glauben lebten, verkündeten und feierten, werden in ihren Rechten beschnitten, aus ihrer Heimat vertrieben, ermordet. Sie teilen das Schicksal von Stephanus, weil sie im Glauben an Jesus festhalten, und sich dem Wahnsinn nicht anschließen wollen, der behauptet, dass auch Gewalt ein Schlüssel zum Himmel sein kann. Viele von ihnen sind auf der Flucht, weil sie sich zum Kind von Bethlehem bekennen, zu dem Friedenskönig, der den Himmel durch Liebe, durch Barmherzigkeit und durch Vergebung öffnet. Viele werden mit ihren Schicksalen ganz alleine bleiben, weil es die political correctness verbietet, im 21. Jahrhundert über die Christenverfolgung zu sprechen.

Aber für mich ist der Stephanitag ein Tag dieser Menschen. Ein Tag, an dem auch uns bewusst werden sollte, dass unsere Zeit und unsere Politik nicht immer Licht ins Dunkel bringen, sondern das eine oder das andere Licht löschen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

ich will Sie in dieser Weihnachtszeit in keine depressive Stimmung versetzen. Ich will Sie nur darauf aufmerksam machen, dass der Blick in den Himmel, der uns Christus zur Rechten des Vaters zeigt, nicht immer einen Applaus erntet. Die Himmelswächter, die sich durch das scheinbar wehrlose aber so klare Kind gestört fühlen, gibt es noch immer und überall; manchmal in der Form der gewalttätigen Glaubenshüter, manchmal in der Form der Zuschauer und der stillen Gewaltbefürworter und manchmal in der Form der „g’scheiten Aufklärer“, die die Welt vor dem Irrationalen bewahren wollen. Aber der Stephanus steht uns bei und betet für uns, dass auch wir denen vergeben können, die glauben, die Schlüssel zum Himmel nur für sich gepachtet zu haben.

Ich wünsche uns allen, dass das Beispiel des Erzmärtyrers der Kirche uns im Glauben stärkt. Ich wünsche uns, dass wir immer und immer wieder genug Kraft aufbringen, um zu den Werten zu stehen, die uns Gott im Jesus – dem Himmelsschlüssel geschenkt hat.

Slawomir Dadas
Pfarrer

2 Gedanken zu „Jesus – der Himmelsschlüssel

  1. Lieber Helmut, danke für den Kommentar. Es geht nicht darum, „alle in einen Topf zu werfen“, sondern die Dinge, unter denen Millionen Christen leiden, beim Namen zu nennen. Ich weiß, dass darüber zu sprechen nicht populär ist, aber ich finde, dass wir unseren christlichen Schwestern und Brüder im Orient die „Solidarität“ schuldig sind, indem wir hier und dort auf ihre Probleme aufmerksam machen. Zur differenzierten Sicht des Islam empfähle ich den Artikel des Islam-Theologen Ednan Aslan: „Wir haben diese Ideologie gesät, jetzt ernten wir die Früchte“: http://www.profil.at/articles/1440/980/378114/islam-theologe-ednan-aslan-wir-ideologie-fruechte

    Slawomir Dadas
    Pfarrer

  2. „Die extremste Form dieses Irrtums erleben wir jetzt in den arabisch-islamischen Ländern“ – bitte vorsichtig sein, vielfach werden schon alle in einen Topf geworfen. LG u GS Helmut

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