Gerechtigkeit und Frieden hängen auch von uns ab

„Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunden ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht.“ Röm 13, 11-14a

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wann haben Sie sich das letzte Mal ungerecht behandelt gefühlt? Was haben Sie dabei empfunden? War es Ihnen egal, oder waren Sie doch innerlich aufgewühlt und konnten sogar ein paar Nächte nicht gut schlafen und fanden ein paar Tage lang keine Ruhe, keinen Frieden? Die Ungerechtigkeit bringt die Menschen auseinander und gegeneinander auf. Man fragt sich: Was hat er gegen mich, dass er mich so behandelt, was habe ich ihr getan, dass sie die anderen bevorzugt? Die Ungerechtigkeit stiftet Unfrieden, sie erzeugt mit der Zeit Aggressionen, die sich gegen andere richten oder dazu führen, dass der Mensch sich verschließt, zurückzieht, gegen sich selbst handelt, mit der Hoffnung, dass die anderen dabei auch leiden.

Es gibt aber auch Ungerechtigkeiten auf der Weltbühne:
die ungerechte Verteilung der Güter, so dass einige hungern und die anderen an einem black friday wie irr rennen und einkaufen, was sie ohnehin nicht brauchen oder die ungerechte Verteilung der Macht, so dass sich einige ungestraft alles leisten können während die anderen schon bei den kleinsten Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden.

Wird es einmal den vollkommen Frieden geben, der auf einer vollkommenen Gerechtigkeit aufgebaut ist?

Einiges hängt von uns selbst ab. Darum werden auch wir durch den Römerbrief aufgerufen zum ehrenhaften Leben, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Streit und Eifersucht. Denn nur durch Menschen, die sich selbst bemühen, gerecht zu leben, kann mehr Gerechtigkeit in die Welt eintreten. Nur durch Menschen, die sich selbst dafür einsetzen, dass alle die gleichen Lebens- und Entwicklungschancen bekommen, kann sich Friede ausbreiten und vielen ein friedliches Leben ermöglicht werden.

Aber die Bibel ist nicht schwärmerisch. Sie ist realistisch in der Beurteilung der Menschen und ihrer Bereitschaft zur Gerechtigkeit und zum Frieden. Auch wenn viele Nationen, so meint Jesaja, einst den Willen Gottes erkennen und sich darauf einlassen werden, so wird es einige geben, die sich dem Urteil Gottes und seiner Zurechtweisung werden beugen müssen.

Werden das wir Europäer sein, die Flüchtlingsgeschäfte mit der Türkei machen, statt Soforthilfe vor Ort in Syrien, im Libanon oder in Irak zu starten? Werden das die Israelis und die Amerikaner sein, die den Palästinensern immer mehr Luft zum Atmen rauben, statt nach einer Lösung des Jahrzehnte andauernden Konflikts zu suchen und jedem Menschen das Recht auf gutes, freies Leben zuzugestehen? Werden das die Russen oder die Chinesen sein, die bei ihren Nachbarn Angst und Schrecken verbreiten und jede demokratische Bewegung gewaltsam unterdrücken? Oder eines der südamerikanischen Länder, deren Machthaber die ganzen Nationen und ihre Lebensräume seit Jahrzehnten ausbeuten, um mit den reichen Ländern der Welt Geschäfte zu machen?

Wem wird Gott am Ende der Zeit das Recht zusprechen und wen wird er zurechtweisen?

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wenn wir von der Zeit der Erwartung sprechen, dann meinen wir dabei nicht, ein Sich-Zurücklehnen in einem gemütlichen Sessel mit einer Fernbedienung und einer Flasche Bier in der Hand. Die Zeit der Erwartung der Gerechtigkeit und des Friedens meint, vom Schlaf der Selbstsicherheit aufzustehen und gerecht und friedvoll zu handeln und zu leben. Wenn wir die Erwartung der Gerechtigkeit und des Friedens zum Thema machen, dann heißt das für uns, die Ärmel hochzukrempeln und dazu beizutragen, dass die ungerecht Behandelten eine Stimme bekommen und sich nicht allein gelassen fühlen.

Wenn wir den Baum der Erwartung aufstellen oder noch besser pflanzen, dann wollen wir auch die Früchte der Gerechtigkeit und des Friedens ernten und sie mit den anderen teilen können. Der Baum der Erwartung soll ein lebendiges Zeichen dafür sein, dass uns die Ungerechtigkeit und der Unfriede stören und wir gegen sie in Wort und Tat auftreten.

Ich wünsche uns allen, dass dieser Advent als Zeit der Erwartung eine Zeit des starken Engagements für Frieden und Gerechtigkeit mitten unter uns sein wird. Ich wünsche uns, dass wir selbst dazu beitragen, dass die Erwartung des Festes der Geburt Christi uns zum Handeln bewegt, die Erde im Sinne Gottes zu gestalten, was automatisch heißt, gerechter und friedlicher zu leben.

Slawomir Dadas
Pfarrer