Wandel der Gemeinschaft

Von der Beziehungsgesellschaft zur Vereinsamung

Wir wollen uns heute am 3. Fastensonntag mit dem Thema Kommunikation befassen. Kommunikation hat einen tiefgreifenden Wandel hinter sich. Die Menschen haben Angst vor Einsamkeit. Viele sitzen einsam vor dem Fernseher oder dem Computer, spielen mit dem Handy, schauen sich nicht an, kommen nicht miteinander ins Gespräch, bemerken gar nicht, wie es dem anderen geht. Der letzte Firmlingstag vom Dekanat Wels hat mich schockiert. Da treffen sich junge Menschen aus ganz Wels und zwischen den Workshops sitzen sie alle im Cafe, spielen mit ihren Handys und schweigen sich an. Mindestens 20 Minuten hab ich keinen einzigen Ton in der Pause gehört. Jede freie Minute wird dazu benützt auf das Handy zu schauen, sie nehmen voneinander gar keine Notiz. Aber kein Mensch kann ohne die Gemeinschaft mit anderen Menschen bestehen, nicht nur weil man auf die Hilfe anderer angewiesen ist, sondern auch weil man sich danach sehnt das Leben mit den anderen zu teilen. Ein Leben ohne Beziehungen, Gespräche, Spaß, Abenteuer, Feiern, Liebe verkümmert. Es fühlt sich an wie Tod, führt eher zur Depression als zu einem erfüllten Leben.

Das heutige Evangelium (Joh 4, 5-42) erzählt von einer heil machenden Begegnung, von einem Gespräch Jesu mit der Samariterin, das ihr Leben völlig verändert hat. Begegnungen können das Leben fördern, Mut machen, bestärken. Begegnungen haben Auswirkungen.

Jesus setzt sich nach einer langen Wanderung an einen Brunnen. Er hat Durst, aber er hat kein Gefäß zum Schöpfen. Da kommt in der Mittagshitze eine Frau zum Brunnen, die vermutlich in der ärgsten Hitze ging um nur ja niemanden aus dem Dorf zu treffen. Sie hatte mehrere Liebschaften hinter sich und wahrscheinlich kannte sie das Getratsche hinter ihrem Rücken über sie. Die Menschen zerreißen sich gerne über andere Menschen das Maul. Sie kannte wahrscheinlich auch die verächtlichen Blicke, mit denen sie gemustert wurde. Und jetzt sitzt da wieder ein wildfremder Mann am Brunnen, der sie anspricht. „Ist das wieder eine männliche Anmache? Was hat er im Sinn? Ich hatte schon genug schwierige Männerbeziehungen. Ich weiß welchen Ruf ich in der Stadt habe. Ich weiß auch, dass mich die Menschen normalerweise meiden, mir den Rücken zudrehen, nicht mit mir gesehen werden wollen.“  Aber diesmal wird sie angesprochen: „ Ich habe Durst. Gib mir einen Schluck Wasser!“ Im Orient ist es nicht üblich, dass Männer Frauen öffentlich ansprechen. Verschärfend kommt dazu, dass Juden und Samariter seit Jahrhunderten verfeindet sind. Sie waren zwar miteinander verwandt, aber es gab einen Konflikt, weil die Samariter am Berg Garizim einen Tempel gebaut hatten und für Juden gab es nur einen Ort der Gottesverehrung, nämlich den Tempel von Jerusalem. Die Frau kann es gar nicht fassen, dass er sie anspricht, die Juden meiden den Kontakt mit den Samaritern. Aber Jesus überwindet die Grenzen der Religion, der Völker, der Tradition, der alten Streitereien, der verschiedenen Geschlechter. Die Frau versteht ihn nicht und das Gespräch steht mehrmals an der Kippe zu scheitern, droht abgebrochen zu werden. Es ist Kommunikation über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg. Wir wissen alle wie schwierig es sein kann Menschen aus anderen Kulturen wirklich zu verstehen. Aber er kann nicht nur Grenzen überwinden, er kann auch den Lebensdurst stillen. Das Gespräch bekommt Tiefgang. Jesus spricht ihre Lebensgeschichte an, sagt ihr auf den Kopf zu, dass ihre vielen Liebesgeschichten ihren Durst nach Liebe, Geborgenheit nicht stillen konnten. Jesus hat ihre Schuld angesprochen, sie nicht beschönigt, verharmlost oder entschuldigt. Die Schuld wurde nicht verdrängt, der Samariterin aber auch nicht an den Kopf geworfen. Er hat sie mit der Schuld nicht beschämt oder klein gemacht, nein er hat ihr mit seinem Umgang mit der Schuld Befreiung gebracht. Er hat sie nicht bewertet und nicht verurteilt. Der verzeihende Gott hat ihr einen Neuanfang ermöglicht. Eine Chance ihren Durst nach Leben wirklich zu stillen.

Die Frau ist irritiert und perplex, dass er ihre Lebensgeschichte so gut kennt und hält ihn für einen Propheten. Sie versteht auch nicht was Jesus mit dem lebendigen Wasser meint, es kommt zu Missverständnissen. Er hat kein Schöpfgerät, der Brunnen ist tief. Woher will er lebendiges Wasser nehmen? Nie mehr Wasser holen müssen ist für sie verlockend, aber sie kann sich nur irgendein Wunderwasser vorstellen, das für immer den Durst stillt.

Jesus saß mit ihr am Brunnen. Er hat keinen Smalltalk geführt über das Wetter, die Regierung, das Essen. Nein er hat sich auf sie eingelassen, ihr Innerstes angeredet. Er ist in die tiefsten  Schichten ihres Lebens vorgedrungen und er hat gesehen, wie sie wirklich ist, hat sie nicht verurteilt, sondern in Würde angenommen, so wie sie war. Er hat ihre seelischen Wunden geheilt. Und sie erkennt in ihm den Heiland, den Retter. Es war eine heilende und helfende Begegnung.  Sie eilt mutig zu ihren Freundinnen zurück und erzählt was ihr geschehen war. Die Begegnung hat ihr Leben verändert. Ja Begegnungen haben Auswirkungen. Sie können unser Leben verändern.

Birgit Raffelsberger
Pastoralassistentin