Sind Sie schon abgelaufen?

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

besonders beim Einkaufen vor den Feiertagen muss man genau auf das Ablaufdatum der Produkte schauen. Denn die Qualität der Nahrungsmittel hängt sehr oft davon ab, ob etwas ganz frisch, gerade noch brauchbar oder bereits abgelaufen und dadurch ungenießbar geworden ist. Eine gute, frische Speise macht nicht nur Freude bei ihrem Verzehr, sondern sie spendet auch die nötigen Ballaststoffe, ist Energie- und Kraftquelle für das Leben. Im Gegensatz dazu stehen die ungenießbaren Dinge; sie können uns die Freude an einem gemeinsamen Mahl oder sogar den Magen verderben.

Das Ablaufdatum betrifft alles, was geschaffen und vergänglich ist; auch uns Menschen. So kann ich mich am Ende des Jahres fragen, ob auch ich ein  Ablaufdatum habe. Wann ende ich als Energie- und Kraftquelle für die anderen? Wann bin ich ungenießbar und wann und wodurch trage ich dazu bei, dass die anderen ein Magengeschwür bekommen? Hängt das von meinem Alter ab; je älter desto gefährlicher? Oder gibt es beim Alter die Regel, wie es früher vom Wein erzählt wurde: je älter, desto kostbarer? Ist das menschliche Ablaufdatum mit dem Tod zu bemessen oder gibt es eine andere Zeitmessung für einen qualitativ frischen Menschen?

Bei diesem Thema muss zuerst gesagt werden, dass das Ablaufdatum eines Menschen nicht mit seiner Leistungsfähigkeit zusammenhängt. Die Qualität eines Menschen wird nicht mit seinen Jahren bemessen, sondern mit seiner Einstellung zum Leben. Die Annahme der Vergänglichkeit könnte ein Schlüssel dazu sein, eine Lebenshaltung zu entwickeln, die uns nicht nur jahrelang frisch bleiben lässt, sondern uns auch hilft, das irdische Ablaufdatum aus dem Blick der Ewigkeit bei Gott zu sehen. Denn im Glauben geht es darum, sich bewusst zu machen, dass nur einer über der Zeit steht, dass nur einer ewig bleibend ist, dass nur einer Alfa und Omega genannt werden kann und dass genau dieser uns zum Leben mit ihm einlädt.

In der Geschichte, die uns in die heutige Thematik eingeführt hat, haben wir von einem alten Mann gehört, der seine Zeit in die eigene Hand nimmt und sie nutzen will. Er will keine Zeit vergeuden, weil ihm bewusst ist, dass er hier nicht ewig leben wird. Und genau diese Haltung ist durch und durch biblisch und sie macht uns bewusst, dass wir vergänglich sind und begrenzt auf der Erde leben. Die Zeit ist uns allen gleich geschenkt. Natürlich tun sich einige leichter bei der einen oder anderen Tätigkeit und können in viel kürzerer Zeit das eine oder das andere erledigen als die anderen. Trotzdem hat jede und jeder von uns 24 Stunden am Tag, um sie zu füllen, zu gestalten, Freude und Energie zu tanken und dann zu verschenken oder sich selbst und den anderen den Magen zu verderben. Alle können es tun: mit 10, 30, 50, 80 und 90  Jahren und natürlich auch dazwischen. Ich kann die Zeit wartend absitzen oder aktiv gestalten. Bin ich eine Energiequelle oder ein Produkt kurz vor dem Ablaufdatum?

Wie gehe ich mit der mir geschenkten Zeit um? Was bedeutet sie für mich und für mein Leben?

Die irdische Zeit ist die Zeit der Möglichkeit, Gottes Heil, Gottes Wirken und Gottes Pläne mit uns zu erfahren und unser Leben danach auszurichten. Die irdische Zeit ist weder eine Prüfung, noch bereits die endgültige Erlösung. Sie ist auch keine Überraschungsbox, aus der wir manchmal bessere und manchmal schlechtere Augenblicke herausholen können, je nach Laune der Natur. Die irdische Zeit ist ein Geschenk, das uns ermöglicht, bereits hier und jetzt Gott zu erfahren, bereits da und jetzt die Liebe zu leben, bereits hier und jetzt Frieden zu stiften. Die irdische Zeit kann zu einer göttlichen Zeit werden, wenn wir sie mit der Haltungen füllen, die wir bei Jesus gelernt haben: mit der Haltung der Einheit in der Gemeinschaft, mit der Haltung der Sorge um die Armen und Ausgestoßenen, mit der Haltung der vergebenden Liebe, die niemandem vorenthalten werden darf.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

sind Sie schon abgelaufen? Oder haben Sie genug Frische, um die Welt mit Qualität und Energie zu füllen? Nutzen Sie die Zeit, die Ihnen geschenkt wurde als eine Zeit der Begegnung mit dem Heil oder haben Sie sich in den letzten Jahren nur treiben lassen?

Ich wünsche uns allen, dass wir diese uns geschenkte, aber beschränkte Zeit immer in Verbindung zur Ewigkeit sehen und gestalten. Ich wünsche uns, dass wir nicht aufgeben, die Zeit mit Gutem und Lieben zu füllen, damit die Welt durch uns besser wird und damit in unserer Umgebung der Gottesplan von einer liebenden, versöhnten Gemeinschaft immer greifbarer wird.

Slawomir Dadas
Pfarrer